Schutz vor Diskriminierung ist ein Menschenrecht. Leipzig aktiv gegen Diskriminierung

Der Stadtrat hat in seiner Sitzung am gestrigen 25. Februar dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Leipzig aktiv gegen Diskriminierung“ zugestimmt. Dazu wurde ein Änderungsantrag der Linksfraktion beschlossen auch in der Stadtverwaltung Antidiskriminierungsstellen zu schaffen. Gemeinsame Pressemitteilung von Bündnis 90/ Die Grünen und Linksfraktion sowie Dokumentation meiner Rede:

Gemeinsame PM vom 26. Februar 2021

Die Ernennung einer/s Antidiskriminierungsbeauftragte*n, die die Aufgaben und die damit verbundenen Prozesse koordiniert und kontinuierlich verantwortet, wird damit erstmals geprüft.

Die grüne Stadtratsfraktion hat sich mehrmals positioniert und viele punktuelle Initiativen und Anträge zum Thema Diskriminierung verabschiedet. Nur fehlte einen intersektionaler Einsatz und ein dies-bezüglich notwendiges Konzept.

Nuria Silvestre, Stadträtin und migrationspolitische Sprecherin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
„Nur dann, wenn jemand fachübergreifend zur Verfügung steht, können wir Veränderungen sichtbar machen. Öffentlichkeitsarbeit, Sensibilisierung, Vernetzung etc. sind so vielfältige Aufgaben, die man nicht nebenbei erledigen kann. Wir wollen keine halben Sachen und haben deshalb eine entsprechende Beauftragtenstelle im Bereich der Antidiskriminierung, die künftig auch als Ansprechpartner*in in diesen Angelegenheiten dient, eingefordert.
Wir erwarten einen Runden Tisch von Expert*innen bis Ende des 2. Quartal 2021 und die Erarbeitung eines Antidiskriminierungskonzeptes bis zum 2. Quartal 2022, unterlegt mit einem Zeit- und Kostenplan, mit der Zielstellung, alle Ausschluss- und Benachteiligungsmechanismen innerhalb von Ämtern, Behörden, Eigenbetrieben und Beteiligungsunternehmen abzubauen.“

Im Rahmen der Beschlussfassung hat die grüne Fraktion einen Ergänzungsvorschlag der Fraktion DIE LINKE übernommen, mit dem die Einrichtung unabhängiger Beschwerdestellen in der Stadtverwaltung, in den Eigenbetrieben und Beteiligungsunternehmen der Stadt Leipzig außerhalb des Personalwesens gemäß § 13 AGG auf den Weg gebracht wird. Diese AGG-Beschwerdestellen sollen auch für Beschwerden gegen Beschäftigte von Dritten zuständig sein.
Die Beschwerdestellen sind personell und sächlich bedarfsgerecht auszustatten, werden hinreichend bekannt gemacht und die Beschwerdestelleninhaber*innen entsprechend geschult.

Juliane Nagel, Stadträtin der Fraktion DIE LINKE dazu:
“Wir begrüßen den Vorstoß der grünen Fraktion sich mit dem Thema verstärkt auch auf kommunaler Ebene auseinanderzusetzen. Ein landeseigenes Antidiskriminierungsgesetz, wie es Berlin vor geraumer Zeit erließ, wird in Sachsen sicherlich zeitnah nicht zu erwarten sein. Um so wichtiger ist es auf kommunaler Ebene voran zu gehen.
Als Linksfraktion ist es uns wichtig auch die Stadtverwaltung in den Fokus zu nehmen. Mit der Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes im Jahr 2006 wurde Arbeitgeber*innen in den §§12 und 13 verpflichtend auferlegt, Beschwerdestellen innerhalb der
Betriebe einzurichten, an die sich die Beschäftigten in Diskriminierungsfällen wenden können. Auch Stadtverwaltung, Eigenbetriebe und Beteiligungsunternehmen sollten dem endlich nachkommen und damit auch als Vorbilder für ein diskriminierungsfreies Miteinander stehen.”

Nuria Silvestre: Ich freue mich sehr, dass endlich diese Thematik endlich ihre Aufmerksamkeit ein intersektionelles Konzept erarbeitet wird. Diskriminierungen aufgrund einer oder mehrerer Merkmale in alle Lebensbereiche dieser Stadt zu bekämpfen, ist uns immens wichtig. Nur so schützen wir die Würde und schaffen echte Teilhabe aller Leipziger*innen.

 

Rede Juliane Nagel

Für ein diskriminierungsfreies Miteinander auch bei uns selbst anfangen!

Wenn wir heute über Maßnahmen gegen Diskriminierung reden, sollten wir zunächst eine Begriffsklärung leisten.

In der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1949 ist Diskriminierung beschrieben als ein Verhalten, „das auf einer Unterscheidung basiert, die aufgrund natürlicher oder sozialer Kategorien getroffen wird, die weder zu den individuellen Fähigkeiten oder Verdiensten noch zum konkreten Verhalten der individuellen Person in Beziehung stehen.“ Diskriminiert werden Menschen aufgrund ihrer Herkunft, des Geschlechts, der Lebensweise, aufgrund von Beeinträchtigungen oder aufgrund ihres sozialen Status, Merkmale die jeweils nicht der gesellschaftlichen Norm entsprechen. Und wichtig ist: Diskriminierung findet individuell statt, wenn Kinder auf dem Schulhof eine schwarze Mitschülerin verhöhnen oder beschimpfen, aber eben auch strukturell, wenn sich die Benachteiligung von Frauen auch in Lohnunterschieden niederschlägt, oder eben institutionell, wenn Vermieter*innen Migrant*innen kleine Wohnung vermieten wollen oder die Polizei rassistische Kontrollen durchführt.

Diskriminierungsmechanismen sind tief in unsere Gesellschaft eingewoben und werden auch von uns selber reproduziert. Die Konsequenzen bedeuten für die Betroffenen Ausschluss, Ausgrenzung bis hin zu handfester Gewalt.

Diskriminierung ist per Grundgesetz verboten. Nach langen Kämpfen wurde 2006 mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz das Verbot der Diskriminierung gesetzlich ausgeregelt. Das Gesetz zeigt allerdings viele Leerstellen und setzt hohe Hürden sich gegen Diskriminierung zu wehren.

Wir begrüßen den Vorstoß der grünen Fraktion sich mit dem Thema verstärkt auch auf kommunaler Ebene auseinanderzusetzen. Ein landeseigenes Antidiskriminierungsgesetz wie es Berlin vor geraumer Zeit erließ, wird in Sachsen sicherlich zeitnah nicht zu erwarten sein.

Für uns ist klar: Wir brauchen zunächst ein Konzept, das die verschiedenen Formen und Perspektiven von Diskriminierung in dieser Stadt zusammenfasst. Wir begrüßen die Neufassung des Antrag, in dem unsere Vorschläge für eine Terminierung und den Fokus neben der Stadtverwaltung auch auf Eigenbetriebe und Beteiligungsunternehmen aufgenommen wurden. Auch dem Runden Tisch können wir zustimmen. Der Etablierung eines neuen Beirates konnten wir dagegen nichts abgewinnen. Wir haben verschiedene Beiräte, an denen Vertreter*innen benachteiligter Gruppen beteiligt sind, deren Zusammenarbeit, und ja, das intersektionale Denken von Diskriminierungen sind zu verstärken. Mehr Gremien zu schaffen halten wir allerdings für kontraproduktiv.

Dies betrifft im Grunde auch den Vorschlag der Installation eines*r neuen Beauftragten. Wir sind nicht überzeugt, dass eine solche Position ergänzend zu Gleichstellungs-, Migrations-, Behinderten- Seniorenbeauftragten vordringlich ist. Wir schlagen ihnen mit unserem Änderungsantrag vor die Debatte um die Einführung einer solchen Position in die Erstellung des Antidiskriminierungskonzeptes zu verschieben und dort fachlich abzuwägen ob dies notwendig erscheint.

Und wir führen mit dem Antrag auch einen ganz neuen Punkt ein.

Mit der Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes im Jahr 2006 wurde Arbeitgeber*innen in den §§ 12, 13 AGG verpflichtend auferlegt, Beschwerdestellen innerhalb der Betriebe einzurichten. § 13 AGG legt die Grundlage für das Recht der Beschäftigten, sich in Fällen von Diskriminierung im Betrieb bzw. in der Verwaltung beschweren zu dürfen. Die AGG-Beschwerdestelle ist verpflichtet, die Beschwerde zu prüfen und das Ergebnis der Prüfung der betroffenen Person mitzuteilen.

Uns ist nicht bekannt, dass derartige Beschwerdestellen innerhalb der Verwaltung, Eigenbetriebe oder Beteiligungsunternehmen installiert wurden, sieht das Bundesgesetz doch auch keine Sanktionen bei fehlender Umsetzung vor. Wir meinen daher: wir sollten und könnten, was den Schutz vor Diskriminierungen betrifft bei uns selbst anfangen und schlagen ihnen entsprechend die Einfügung eines Punktes 2a in den Beschlussvorschlag vor.

Ich bitte um Zustimmung: Es bleibt viel zu tun!

Der Antrag wurde inklusive des Änderungsantrages der Linksfraktion angenommen.

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