Wer übt hier Gewalt aus? Wer sind die Verantwortlichen und wer die Held*innen? Darum ging es in einer Aktuellen Debatte im Sächsischen Landtag am 30. September 2020. Hier mein Debattenbeitrag:
Nun wird die medial massiv aufgeblasene Debatte um das vermeintlich gewalttätige Connewitz also auch in den Landtag gehievt. Vielen Dank dafür an die AfD-Fraktion.
Ich nehme ihren Ball gern auf, lassen sie uns über Verantwortliche und Held*innen sprechen. Und da gehen unsere Meinungen erwartungsgemäss auseinander.
Schauen wir uns doch an wer Verantwortung für die Wohnraumprobleme in Leipzig trägt?
Das ist nicht die Polizei, das sind nicht die Mieterinnen und Mieter, das sind nicht die solidarischen Stadtteilinitiativen oder Hausbesetzerinnen und -besetzer.
Es ist eine Politik, die viel zu lange auf den Ausverkauf der Stadt, den Ausverkauf von kommunalen Grundstücken und Wohnhäusern orientierte. Eine Politik, die Privatinvestor*innen den roten Teppich ausrollte.
Es ist mit Verlaub kein Zufall, dass OBM-Kandidaten verschiedener Couleur sich in Wahlkämpfen von großen Immobilienunternehmen gesponsert ließen. Zuletzt der CDU-Kandidat, der demonstrativ den Schulterschluss mit einem Investor suchte, der für seine Verachtung von ökonomisch Benachteiligten wohlbekannt ist.
Nicht erst seit gestern hat dieser Investor, haben profitorientierte, zum Teil sogar börsennotierte Wohnungsunternehmen Leipzig für sich entdeckt, treiben die Preise für das Zuhause vieler Menschen und für Grundstücke in die Höhe.
Mit Gewalt werden hier Mieter*innen verdrängt, werden Mieter*innen durch überbordende Modernisierungen bedrängt, damit sie ausziehen und die neuen Angebotsmieten höher gesetzt werden können.
Neubauten gerade in Connewitz können sich Normalverdiener*innen nicht mehr leisten. Und beim Verkaufsgeschehen im Bestand stehen knallharte Kapitalanlagestrategien im Vordergrund und nicht das bürgerliche Versprechen vom selbstgenutztem Eigenheim.
Sie wollen über Gewalt in Connewitz reden? Dann reden sie doch mal mit den Mieterinnen und Mietern aus der Thierbacher Straße 6 im Herzen des Stadtteils. Diese Hausgemeinschaft lebt dort seit 18 Jahren ohne ihr Haus zu besitzen. Vier Jahre davon nun wehren sie sich gegen rabiate Modernisierungsmaßnahmen und haben kürzlich einen Teilerfolg errungen: Die Verdoppelung der Miete wurde zunächst gerichtlich gestoppt.
Sie sind die Held*innen, sie und ihre vielen Unterstützer*innen, die mieten- und stadtpolitischen Initiativen die Menschen beistehen, die aus ihren Wohnungen herausmodernisiert oder zwangsgeräumt werden sollen, die Betroffene ehrenamtlich beraten, die Missstände sichtbar machen und Druck auf die Politik machen.
Oder auch die, die zivilen Ungehorsam gegen spekulativen Leerstand leisten und Räume für die Gesellschaft nutzbar machen wollen. Die Besetzung von leer stehenden Häusern, ob Putzi in Dresden oder die Luwi in Leipzig – ist eine legitime Reaktion auf den Druck, den Mieterinnen und Mieter vor allem in den Großstädten immer mehr spüren. Das mag der Kollege Gasse vielleicht anders sehen, aber ich rechne ihm hoch an, dass er im Leipziger Osten, der übrigens nicht zu Connewitz gehört, vor Ort war und das Gespräch mit den Besetzer*innen gesucht hat, während seine Parteikollegen sich im Internet austobten.
Die Wohnungsfrage ist DIE soziale Frage unserer Zeit. Wir müssen regulieren, wird müssen die Verantwortlichen für die soziale Spaltung auch im Wohnungsbereich zur Verantwortung ziehen.
Die Wohnungsfrage als soziale Frage kann weder durch sabotierte Kräne und Böller noch durch Polizeieinheiten und eine Soko linx, gelöst werden.
Sie, Damen und Herren der Koalition sind hier in der Verantwortung politische Lösungen zu finden. Und da ist bisher zu wenig passiert.
Wir sind an ihrer Seite, wenn es darum geht Wohnen als Gemeingut zu organisieren und zu fördern und den sozialen Frieden zu sichern.