Zurecht schafft es der Freistaat Sachsen dieser Tage wiederholt bundesweite Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Dem rechtlich mindestens fraglichen Umgang der Polizei mit Journalisten des ZDF (siehe hier) folgte die Offenbarung, dass es sich bei dem pressefeindlichen Pöbler und Pegida-Anhänger um einen Mitarbeiter des LKA handelte. Zehn Tage später – zehn Tage in denen die Staatsregierung und Dienstherrn der Polizei tunlichst vermieden, sich für diesen Vorfall zu entschuldigen und vor allem falsches Handeln einzugestehen – gibt es in Chemnitz eine Hetzjagd auf Migrant*innen.
Am frühen Morgen des 26.8.2018 hatte es schwere Auseinandersetzungen zwischen Personengruppen gegeben. Eine Person erlag den Verletzungen. Neonazis und rechte Hools aus dem Fanmilieu des CFC riefen infolge dessen mit dem Schlachtruf „Unsere Stadt – unserer Regeln“ zu einem Aufmarsch auf. Die AfD heizte die Stimmung währenddessen mit einer eigenen Versammlung an. Bis zu 1000 Personen versammelten sich zirka 16:30 Uhr am Marx-Monument und nahmen sich gegen die anwesende Polizei gewaltsam ihren Weg durch die Innenstadt. Dabei kam es zu Bedrohungen und Aggressionen gegen Migrant*innen. Die Polizei verhinderte den Aufmarsch der Neonazis nicht. Laut Augenzeug*innen wurden in der Folge Migrant*innen in der Innenstadt Kontrollen und Durchsuchungen unterzogen.
Vor dem Hintergrund der Ereignisse wurde das Chemnitzer Stadtfest abgesagt.
Was vorerst bleibt ist ein fragwürdiges Bild der sächsischen Polizei. Wie in Heidenau, Bautzen, Freital, Claussnitz schafft sie es nicht einen rassistischen Mob im Zaum zu halten. Während in Leipzig vor kurzem ein ganzer Supermarkt aufgrund eines fragwürdigen Hinweises auf einen „afrikanischen Attentäter“ evakuiert wurde, schafft es die Polizei nicht innerhalb von vier Stunden ausreichend Maßnahmen zu ergreifen um einen rassistischen Mob aufzuhalten? Oder will sie nicht?
Was außerdem bleibt ist eine gespenstige Stimmung.
Ja, ein Mensch hat sein Leben durch eine Gewalttat verloren. Das ist schlimm genug. Dass Neonazis und Rassist*innen diesen furchtbaren Fakt für ihre Ideologie instrumentalisieren macht die Sache weitaus schlimmer. Auch wenn sie herausstellen sollte, dass die Täter*innen Migrationsgeschichte haben, was derzeit nicht erwiesen ist, rechtfertigt diese in keiner Weise Rückschlüsse auf andere Migrant*innen. Das liegt für jeden klar denkenden Menschen auf der Hand.
Die Erfahrungen zeigen allerdings, dass derartige Vorfälle Hass und Aggressionen gegen die sowieso unliebsamen Gruppen schüren.
Und genau daran ist der CDU-Regierungsblock nicht unschuldig. Ignoranz von rechten Einstellungen im eigenen Apparat und in der Bevölkerung, stattdessen Hatz auf Linke und die demokratische Zivilgesellschaft und eine feindliche Haltung gegenüber und Ausschluss von Geflüchteten, das ist in Sachsen seit Jahren, Jahrzehnten der „normale“ way of live.
So wie Ministerpräsident Kretschmer in Unkenntnis (oder schlimmer: Kenntnis?) der Abfolge der Pressegängelei am 16.8.18 am Rande der Pegida-Demonstration gegen den Merkel-Besuch die Polizei vor jeder Kritik in Schutz nahm, so werden CDU-Vertreter*innen ab morgen in das Lied der ethnisierenden Zuschreibungen an „kriminelle Ausländer“ einstimmen. So wie sie es immer getan haben.
Für positive Perspektiven oder Glückskekssprüche fehlt mir der Optimismus.
Fakt ist: In Sachsen genügt es nicht mehr an kleinen Stellschrauben zu drehen, hier muss die gesamte Maschine neu aufgesetzt werden. Hier braucht es eine grundlegende demokratie- und menschenrechtsorientierte Umwälzungsoffensive.