Unlängst wurde ein großes Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bildung krimineller Vereinigungen (§ 129 StGB) gegen Fans der BSG Chemie Leipzig trotz breiter Überwachung ergebnislos eingestellt. Das Fiasko folgt dem der 2014 gescheiterten Ermittlungen um eine „Antifa-Sportgruppe“ und der Abhöraffäre von 2016 im Umfeld der BSG Chemie Leipzig e.V. Diesmal geriet wohl auch der Verein Eintracht Frankfurt ins Visier. Erneut sind Freund*innen, Bekannte und Kolleg*innen der Beschuldigten sowie mindestens ein Journalist und drei Anwält*innen betroffen.
Die Linksfraktion fordert (Drucksache 6/14147) die Staatsregierung auf, umfassend über die Ermittlungen zu berichten. Das Ausmaß und die Eingriffstiefe der polizeilichen und strafprozessualen Maßnahmen sowie der Überwachung gegen unbeteiligte Dritte (u.a. Vorstandsmitglieder und Spieler*innen, Beschäftigte von Fanprojekten, Fansozialarbeiter*innen, Fanvertreter*innen und Berufsgeheimnisträger*innen) sollen offenbart werden. Basierend auf der Aufarbeitung der Strukturermittlungen soll ausgeschlossen werden, dass sich „derartige schwerwiegende Eingriffe in die Grundrechte einer unüberschaubaren Personenzahl“ wiederholen. Der Sächsische Datenschutzbeauftragte wird ersucht, dem Landtag dazu einen besonderen Datenschutzbericht zu erstatten.
Die Leipziger Landtagsabgeordnete Juliane Nagel erklärt:
Der „Schnüffelparagraf“ § 129 StGB ermächtigt die Behörden zu weitreichender Überwachung – auch wenn die Indizienbasis, wie hier, äußerst dünn ist. Offenbar sollten vor allem Menschen und Strukturen ausspioniert werden, die einer linken Szene zugerechnet werden. Getroffen hat es Teile der Fanszene eines Fußballvereins. Das ist skandalös, denn die Überwachungsmaßnahmen greifen nicht nur erheblich in die Privatsphäre ein, sondern geben auch Einblick in das organisierte Fan-Leben. Im Rechtsstaat dürfen Unbescholtene aber nicht kriminalisiert werden, schon gar nicht aus politischen Motiven. Wir wollen Aufklärung. Staatsregierung und Justiz müssen die Ermittlungsbehörden dazu bringen, rechtsstaatliche Grundsätze einzuhalten.
Enrico Stange, Sprecher für Innenpolitik, erklärt:
Sächsische Ermittlungsbehörden greifen offenbar wiederholt und unter Duldung der CDU-geführten Regierung unverhältnismäßig stark in Grundrechte ein. Die vielen Ermittlungsverfahren, für die zumindest ein Anfangsverdacht gegeben sein müsste, mussten eingestellt werden, weil keine Beweisbasis für eine Klageerhebung vorhanden ist. Diese Diskrepanz wollen wir aufklären. Nicht jeder vorgebliche Zweck darf die Mittel heiligen, das bedroht die Rechtsstaatlichkeit. Wir werden weiter Widerstand dagegen leisten, dass die Grundrechte zersetzt werden. Sie dienen schließlich dem Schutz gegen staatliche Willkür und Selbstermächtigung.
Pressemitteilung, 22. Juli 2018
>>> Statement der Diablos Leutzsch: 129 Freunde