„Ein weiterer Versuch, die Strukturen, die es Menschen ermöglichen sollen, in ihrer neuen Heimat Fuß zu fassen, zu zerschlagen“ – Meine Rede zum Antrag der AfD im zur Evaluation und Abschaffung der Landessprachkurse für Migrant*innen.
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
wir reden heute also über Sprache und Zugang zum Erlernen von Sprache. Vor einigen Monaten beantragte die AfD hier im Hohen Haus, den Schutz und die Förderung der deutschen Sprache als Kulturgut in die Sächsische Verfassung zu implementieren. Der Zugang zur deutschen Sprache soll aber dann wohl kein universeller sein. „Schützt die deutsche Sprache vor den Ausländern“, zumindest vor bestimmten Gruppen, so lässt sich der hier vorliegende Antrag in seiner Intention wohl kurz und bündig zusammenfassen.
Und na klar: Es lohnt sich mal drüber nachzudenken, ob Deutsch-Sprachkurse wirklich das A und O für das Einwanderungsland Deutschland sind. Wenn wir den Gedanken, dass Integration ein gesamtgesellschaftlicher Prozess ist, der eben nicht nur die Anpassung der neu dazugekommen Menschen verlangt, sondern auch eine offene Aufnahmegesellschaft, dann sollten wir wohl eher einmal drüber sprechen, ob nicht letztere, die Menschen, die hier leben, die Behörden, die hier angesiedelt sind, Erzieherinnen und Erzieher, Polizistinnen und Polizisten, sprich, alle gesellschaftlichen Bereiche, vielmehr auf Mehrsprachigkeit orientieren sollten. Statt der permanenten Bringepflicht an Migrantinnen und Migranten doch endlich ordentlich deutsch zu lernen oder Sanktionen für die, die nicht an Integrationskursen teilnehmen: Sprachkurse in arabisch, farsi, russisch, Tigrinisch und englisch für alle hier geborenen. Das wäre ein echter Paradigmenwechsel. Und wenn wir uns auf den Transfer der 9 Millionen Euro für diese Zwecke einigen können, zumindest für den Anfang, denn der Bedarf wird um einiges höher sein, dann könnten wir gern ernsthaft über ihren Antrag sprechen.
Um zu sehen wie produktiv und lebendig Mehrsprachigkeit ist, lade ich sie auch gern nach Leipzig ein. Dort können sie zum Beispiel im Rabet, einem Stadtteilpark im Leipziger Osten, an der ach so gefährlichen Eisenbahnstraße live erleben wie eine mehrsprachige Melange den tristen Alltag aufmischt. Wie letztes Wochenende: Im Sonnenschein saßen Familien, Pärchen, syrische, kurdische, marokkanische, sächsische, fussballspielend, Essen auf dem Grill zubereitend, Cliquen, aus deutschen und migrantischen Jugendlichen auf ihren Fahrrädern und mit ihren Musikboxen, Liebespärchen, und überall verschiedene Sprachen, ein Sprachmischmasch, und: niemand hat sich daran gestört, überall wurde kommuniziert. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen: So stelle ich mir die Zukunft dieses Landes vor.
Aber zurück zum Antrag: Wir erleben hier einen weiteren Versuch, die Strukturen, die es Menschen ermöglichen sollen, in ihrer neuen Heimat Fuß zu fassen, zu zerschlagen. Strukturen, die mühsam aufgebaut wurden und werden und dem richtigen Gedanken folgen, dass Teilhabe nicht von der Vorlage eines Aufenthaltstitels abhängig gemacht werden darf. Die Landessprachkurse füllen eine Lücke, die die Angebote des Bundes mit den Integrationskursen und berufsbezogenen Sprachkursen hinterlassen.
Es ist überaus begrüßenswert, dass der Freistaat vor nunmehr fast zwei Jahren erkannt hat, dass es hier Komplementärangebote braucht. Sie helfen denen, die durchs BAMF-Raster fallen und denen, die das zweifelhafte Label der „negativen Bleibeperspektive“ bekommen oder sich mit Duldungen durchs Leben hangeln. Und wie sie anhand diverser Anfragen sehen können: es gibt zahlreiche dieser Kurse im gesamten Land, sie werden nachfrageorientiert angeboten. Wenn es einer Evaluierung bedarf, dann wohl in Bezug auf die Frage warum Menschen die Kurse abbrechen oder durch Prüfungen fallen. Denn dafür gibt es vielfältige Gründe.
Die im AfD-Antrag benannte Evaluation – im Afd-Vokabular heißt das „Offenlegung“ – wird nur gefordert, um den demokratischen Schein zu wahren. Die Wahrheit, zu der es nicht viel Mut bedarf, steckt in Ziffer römisch 2: sie wollen einfach nur die Aussetzung des Landessprachprogramms. Es stellt sich also die Frage, warum Sie etwas evaluieren lassen wollen, was abgeschafft werden soll, wenn es nach Ihnen geht.
In diesem Sinne: Wir lehnen den Antrag ab. Wir fordern stattdessen eine Evaluierung Ihrer Anträge hinsichtlich ihres humanistischen Menschenbildes. Dieser hier dürfte auch auf diesem Gebiet durchfallen.
Rede im Landtagsplenum am 25. April 2018