In der letzten Landtagssitzung vor der Sommerpause musste auf Antrag der AfD zum Thema „Integrationsgipfel – Selbstaufgabe einer erfolgreichen Nation“ diskutiert werden. Weder ist die Integrationspolitik der Bundesrepublik gefährend für das Konstrukt Nation, noch ist dieses bewahrenswert – das waren die Hauptpunkte meines Beitrages:
Es wurde viel sinniert, was die Aktuelle Debatte heute mit sich bringt, und überlegt: Schlagen Sie vielleicht einen Integrationsgipfel für Sachsen vor und haben übersehen, dass es seit zwei Jahren die Verbändeversammlung gibt?
(Lachen der Abg. Karin Wilke, AfD)
Geht es um den Bundesintegrationsgipfel? Dazu komme ich gleich. Dass uns nun hier aber purer Geschichtsrevisonismus präsentiert und demonstriert wird, wie der Mangel an politischer Bildung ausgehen kann, ist natürlich traurig.
(Beifall bei den LINKEN, der SPD und des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)
Aber ich will dort ansetzen, wo mein Vorredner ebenfalls begonnen hat: am Bundesintegrationsgipfel. Darüber kann man viel diskutieren. Ich möchte vor allem bei der Kritik an dieser Institution ansetzen; denn zu Recht äußern immer wieder jene, um die es dabei eigentlich geht – die Migrantinnen und Migranten bzw. viele Migrantenorganisationen – , dass dort viel geredet wird, aber eigentlich nichts passiert. Herr Spangenberg, dabei beziehe ich mich auf Sie: Beim letzten Integrationsgipfel wurde die Neuformulierung eines Staatszieles vorgeschlagen. „Die Bundesrepublik ist ein vielfältiges Einwanderungsland“ – Zitat – : „Sie fördert die gleichberechtigte Teilhabe und Chancengerechtigkeit und die Integration aller Menschen.“
(Carsten Hütter, AfD: Ein Staatsziel! – Zuruf des Abg. André Barth, AfD)
Damit wären alle staatlichen Ebenen der Erfüllung dieses Staatszieles unterworfen, und klar, diese Forderung tut nicht nur der AfD weh, sondern sicher auch anderen Akteuren und Akteurinnen in diesem Hohen Hause. Dies sei dahingestellt. Die Forderungen werden artikuliert, und sie verpuffen regelmäßig.
Wenn man sich anschaut, was integrationspolitisch in der Bundesrepublik passiert – ich beziehe mich dabei nicht auf Sachsen; die Gesetzgebungskompetenz liegt vor allem auch auf Bundesebene –, dann ist das einfach nicht viel.
Das Integrationsgesetz des Bundes aus dem vergangenen Jahr bezieht sich ausschließlich auf Geflüchtete und trägt eine Handschrift, die repressiv – restriktiv ist; ich erinnere an die Wohnsitzauflage, an 0,80 – Euro-Jobs für Geflüchtete oder andere Mechanismen, die dort vorgesehen sind.
Die Hürden für die Einbürgerung sind weiterhin sehr hoch. Von der interkulturellen Öffnung sind wir vielerorts meilenweit entfernt, und die CDU führt schon wieder eine Debatte, die doppelte Staatsbürgerschaft über Bord zu werfen.
(André Barth, AfD: Richtig, richtig!)
Der Integrationsgipfel und die Integrationspolitik der Bundesrepublik führen nicht zur Selbstaufgabe der Nation. Das ist totaler Unfug. Sie sind Rohrkrepierer, würde ich sagen, und verharren in einer Logik überbordender Bringschuldansprüche an neu Zugewanderte und in der Logik exklusiver Zuwanderung für wirtschaftliche Leistungsträger und Leistungsträgerinnen.
(André Barth, AfD: Fahren Sie mal nach Polen, Frau Nagel, und sehen Sie sich das dort an!)
Was wir stattdessen brauchen, ist eine Logik der Öffnung, eine Politik, die die Realität globaler Migrations- und Wanderungsbewegungen anerkennt. Wir brauchen – ich zitiere hierzu den Bürgermeister von Palermo – „das Menschenrecht auf Freizügigkeit und die Staatsbürgerschaft des Wohnortes“. Niemand darf von Teilhabe ausgeschlossen werden, weil er oder sie woanders geboren ist und in ein neues Staatsgebiet einwandert. Kurz kann man auch sagen: „Kein Mensch ist illegal“, so wie es uns in Palermo zugeworfen wurde
Wenn wir endlich diesen Weg beschreiten würden, könnte dies tatsächlich den Untergang der Nation bedeuten – einer Nation, wie Sie sie denken. Wir haben es ja gehört: Deutsche Tugend, deutscher Fleiß – Sie haben es aufgezählt – bedeuten immer auch Ausschluss und Diskriminierung von Menschen, die nicht zu Ihrer Volksgemeinschaft gehören. Was ist denn das für ein Gedankenkonstrukt?
(Zuruf des Abg. André Barth, AfD – Gegenruf der Abg. Luise Neuhaus – Wartenberg, DIE
LINKE)
Wenn wir endlich einen anderen Weg beschreiten, müssen wir genau diese deutschen Tugenden über Bord werfen.Wozu brauchen wir die denn? Wir müssen auch die Realität über Bord werfen, die tödliche Grenzzäune bedeutet und dass Menschen vielleicht noch erschossen werfen, wenn sie die Grenze überschreiten wollen – wie Sie es vorgeschlagen haben.
(Beifall bei den LINKEN)
Wir müssen den Paradigmenwechsel vollziehen und vor allem zu einer Idee kommen, die ein inklusives „Wir, die hier leben“ meint und nicht nur jene, die hier geboren sind.
(André Barth, AfD: Wir wollen aber auch keinen Einheitsbrei, Frau Nagel!)
Ich möchte das zum Schluss an einem Punkt festmachen, der uns alle betrifft. In einigen Wochen sind Wahlen, und auch davon werden wieder 4,5 Millionen volljährige Menschen, Migrantinnen und Migranten, ausgeschlossen werden, Menschen, denen immer wieder vorgeworfen wird, dass sie sich hier nicht demokratisch verhalten, sich unterzuordnen hätten und dass sie eine Parallelgeselschaft entwickeln würden. Sie werden von demokratischen Prozessen systematisch ausgeschlossen, obwohl die politischen Entscheidungen sie selbst betreffen. Darüber müssen wir sprechen. Wir müssen darüber sprechen, wie wir unsere Gesellschaft gestalten und den Menschen hier Teilhabe, auch politische, zukommen lassen können.
Präsident Dr. Matthias Rößler: Die Redezeit ist zu Ende, Frau Nagel.
Juliane Nagel, DIE LINKE: Wir brauchen Ihre Vorstellungen von Nation nicht.
(Beifall bei den LINKEN)
Präsident Dr. Matthias Rößler: Die Redezeit ist zu Ende!
Juliane Nagel, DIE LINKE: Wir wollen Ihre Vorstellungen von Nation offensiv über Bord werfen. Vielen Dank.