Es ist an sich schwer zu fassen, was am Mittwochabend (mal wieder) in Dresden-Laubegast geschehen ist – und doch ist es in einer Art und Weise Alltag in Sachsen, dass der Begriff „Skandal“ – so ausgenudelt er eben ist – fast unpassend erscheinen mag. Nicht zuletzt impliziert der Begriff Skandal eine mediale Öffentlichkeit, die im Zusammenhang mit asylfeindlichen Aktivitäten in Sachsen kaum noch stattfindet. Auch das ein ganz lebensweltliches, ein praktisches Ergebnis der oft diagnostizierten „Diskursverschiebung nach Rechts“? Zu den Ereignissen in Laubegast habe ich eine Pressemitteilung verfasst und habe eine Kleine Anfrage an die Staatsregierung zum Agieren der Ordnungsbehörden gestellt
(Pressemitteilung, 13. Juni 2016)
Am 8. Juni 2016 marschierte die rassistische Bürgerinitiative „Laubegaster Wellenlänge“ vor der Asylunterkunft „Prinz Eugen“ in Dresden-Laubegast. Ursprünglich war die Versammlung abseits der Unterkunft am Kronstädter Platz geplant. Doch am Tag der Kundgebung verlautbarte die Initiative, dass die Auftaktkundgebung verlegt werde – direkt vor die Geflüchteten-Unterkunft! Und tatsächlich fand die Auftaktkundgebung in direkter Nähe zum ehemaligen Hotel statt, die Demonstration lief unmittelbar an der Unterkunft vorbei. Die wenigen dort eingesetzten Polizeibeamten agierten offenbar äußerst zurückhaltend. Im Umfeld des Aufmarsches konnte sich eine Gruppe vermummter Neonazis unbehelligt von der Polizei frei bewegen. Sie bedrohten eine spontan angemeldete antirassistische Solidaritätskundgebung und Unterstützende aus der Initiative „Laubegast ist bunt“.
Zum 1. Juni 2016 sind im ehemaligen Hotel „Prinz Eugen“ im Dresdner Stadtteil Laubegast 48 Geflüchtete untergebracht. Seit die Pläne bekannt wurden, das Hotel als Unterkunft zu nutzen, protestieren Anwohner*innen dagegen. Die Proteste sind seit Anfang an rassistisch aufgeladen, sie gehen Hand in Hand mit Neonazis. Am Tag der offenen Tür kurz vor Eröffnung der Unterkunft versuchten Asylfeinde, den Bezug noch zu verhindern, indem sie in einem Waschraum alle Wasserhähne aufdrehten und die Waschbecken zustöpselten.
Bemerkenswert war und ist das Agieren der Ordnungsbehörden im Umgang mit den rassistischen Protesten, die seit geraumer Zeit als „Laubegaster Wellenlänge“ firmieren: Als habe es hier eine heimliche Sympathie der Verantwortungsträger*innen gegeben, ließ das Ordnungsamt lange Zeit die Rassist*innen gewähren, ohne sie wenigstens mit den Auflagen des Versammlungsrechtes zu behelligen. Die Aufmärsche wurden kurzerhand als zufällige „Ansammlungen“ ohne „gemeinsamen (politischen) Zweck“ abgetan. (siehe Kleine Anfrage 3162)
Am Abend des 8. Juni hatten auch Antirassist*innen eine Kundgebung abhalten wollen, um der Hetze der „Wellenlänge“ etwas entgegen zu setzen und die Asylsuchenden vor dem Aufmarsch der Rassist*innen zu bewahren. Die Teilnehmenden dieser Kundgebung wurden von der Polizei ganz anders behandelt. Die Kundgebung befand sich nach Augenzeug*innen-Berichten die ganze Zeit über im Polizeikessel und unterlag allerhand Schikanen. So wollte der Einsatzleiter die Kundgebung erst nicht zulassen. Dann mussten sich alle Teilnehmer*innen Taschenkontrollen unterziehen. Von Anfang an wurde die Kundgebung von der Polizei mit mehreren Kameras gefilmt.
Das Agieren der Dresdner Behörden schafft den Rassist*innen einen Handlungsspielraum, der es Unterstützenden der Asylsuchenden erschwert, Position zu beziehen und sich in der Debatte gegen die rassistische Stimmungsmache der „Wellenlänge“ zu wehren. Dies erinnert an den Umgang selbiger mit Pegida und den Protesten dagegen wie mit den Naziaufmärschen am 13. Februar. Ich bin nicht bereit, dieses Behördenhandeln als „normal“ zu akzeptieren. Rassist*innen vor bewohnten Asylunterkünften Raum für direkte Drohungen und Beleidigungen gegen die Bewohner*innen zu geben und dies mit dem Verweis auf das Versammlungsrecht zu rechtfertigen, erledigt sich spätestens, wenn antirassistische Proteste durch polizeiliches Agieren dermaßen eingeschränkt werden, dass es einer Verhinderung gleichkommt. Dazu kommen gewaltbereite Neonazis, die sich auch durch das Behördenhandeln vor Ort sicher fühlen.
In der Vergangenheit griff die Gruppe, in der auch stadtbekannte Nazis agieren, schon einmal Antirassist*innen nach Kundgebungen an. Immerhin das wurde durch die Polizei diesmal verhindert. Ich habe mittlerweile eine Kleine Anfrage eingereicht (Drs 6/ 5384), mit der ich das Agieren der Versammlungsbehörde und der Polizei hinterfrage.
Es darf nicht länger hingenommen werden, dass Behörden rassistische Mobilisierungen gewähren lassen, wie unter anderem auch im Februar in Clausnitz geschehen. Denn dieses Handeln bestärkt die, die Menschenrechte mit Füßen treten.“