Am Montag, 21. März 2016 findet im Neuen Rathaus ein Empfang für Ehrenamtliche im Bereich Asyl statt. Mit „Respekt“ ist die Einladung überschrieben. Doch es gibt Irritationen über den Kreis der Einladenden, zu dem auch ich gehöre.
Darunter befinden sich Europa-, Bundestags- und Landtagsabgeordnete der SPD, der LINKEN und der Grünen, StadträtInnen derselben Parteien, Gewerkschaften, der Migrantenbeirat, der Flüchtlingsrat und .. die CDU-Bundestagsabgeordnete Bettina Kudla.
Frau Kudla, ehemals Finanzbürgermeisterin in Leipzig, und seit 2009 Bundestagsabgeordnete ist keine Freundin eines offenen Landes.
Jüngst postete sie von einem Besuch in zwei Erstaufnahmeeinrichtungen und des neuen Ankunfszentrums in Leipzig:
#DRK und #Johanniter leisten in d #Erstaufnahmeeinrichtungen in #Leipzig richtig gute Arbeit. Geordnetes #Asylverfahren. Zahlen gehen zurück.
… und verkennt damit, dass es nicht Aufgabe oder Ziel der sozialen Organisationen ist, Asylzahlen zu drücken, sondern Menschen gut zu versorgen, ohne wenn und aber. Frau Kudla orientiert auf Abschottung und huldigt, wie es wenig anders zu erwarten ist, den Asylrechtsverschärfungen, die in den vergangenen Monaten im Eiltempo durch den Bundestag gepeitscht wurden. Auch die SPD im Bundestag war daran beteiligt. Mit dem Asylpaket I wurden u.a. weitere Westbalkanstaaten zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt, die Verweildauer in Erstaufnahmeeinrichtungen verlängert, das Sachleistungsprinzip wieder gestärkt und die Residenzpflicht verlängert. Auch das Asylpaket II, das weitere Grausamkeiten enthält, wie die Einschränkung des Familiennachzugs, Schnellverfahren und Abschiebelager, Abschiebungen auch von kranken Personen etc. ist ein Produkt der großen Koalition. Immerhin stimmte die Leipziger SPD-Bundestagsabgeordnete Daniela Kolbe wie die beteiligten Leipziger MdB von Grünen und LINKER gegen das 2. Paket.
Doch weiter zu Frau Kudla. Dass Sachsen ein Problem mit Rassismus hat, will sie – im Gegensatz zu ihrem Parteikollegen und sächsischen Ministerpräsidenten Tillich – nicht anerkennen. Zur Aktuellen Stunde zum Thema im Bundestag erzürnte sie sich: #aktuellestunde gestern zu #Clausnitz u #Bautzen. Die Verunglimpfung #Sachsens war unsäglich!
Dies passt zu ihrem Engagement gegen den Moscheebau sowie eine Erstaufnahmeeinrichtung in ihrem Wahlkreis. Mit beiden sensiblen Themen machte sie in der Vergangenheit Politik und fiel damit denen in den Rücken, die für ein offenes Klima, für Religionsfreiheit und den Support von Geflüchteteten arbeiten, also die, die am 21. März zum Ehrenamtsempfang ins Rathaus in Leipzig eingeladen sind.
Zum Moscheebau schrieb sie am 7.11.2013:
„Hier sollte die Frage schon erlaubt sein, ohne dass man als ausländerfeindlich oder rechtsradikal gilt, warum Leipzig die Ausbreitung einer muslimischen Bewegung in Deutschland fördern will? In Deutschland, das seiner Gesellschaft per Grundgesetz die Grundrechte garantiert, herrschen eben ganz andere Lebensbedingungen, nämlich freiheitliche, als zum Beispiel in Pakistan. […]
Thomaskirchpfarrer Wolff irrt, wenn er seinen Einsatz für den Bau der Moschee damit begründet, dass es um die religiöse Freiheit in Deutschland geht. Freiheit bedeutet nicht, dass alles erlaubt ist und dass wir alles zulassen sollten, was langfristig gesehen unsere Freiheit einmal bedrohen könnte. […]
Der Bau einer Moschee im Leipziger Stadtteil Gohlis wird von einem großen Teil der Bewohner offenbar abgelehnt und ist meines Erachtens für die weitere Entwicklung des Stadtteils nicht dienlich.“
Zur Errichtung einer Erstaufnahmeeinrichtung in der Max-Liebermann-Straße äußerte sie sich am 14.2.2014 sich ebenfalls ablehnend:
„Mögliche Alternativstandorte sind meines Erachtens nicht ausreichend geprüft worden. Ich halte es für höchst problematisch, wenn man in ein Gebiet, das sich in den letzten Jahren als attraktiver Wohnstandort mit einem starken Zuzug von Familien mit Kindern entwickelt hat, ein Erstaufnahmelager errichtet. […] Noch ist das Grundstück an der Max-Liebermann-Straße zu haben. Ich hoffe, dass sich ein Investor für eine adäquate Bebauung finden wird.“
Und nicht zuletzt mit ihren Äußerungen zum Protest gegen 1 Jahr Legida zeigte Frau Kudla wo sie steht: „Wirksame Integration kann nur gelingen, wenn die Gesellschaft zahlenmäßig nicht torpediert wird“, heizte sie die Angst vor vermeintlicher Überfremdung an (allein die zahlenmässig Relation der ansässigen Bevölkerung und der im vergangenen in Deutschland angekommenen Geflüchteten dürfte dies deutlich machen) um im gleichen Atemzug eine weitere Abschottung Europas einzufordern. Protest gegen die menschen- und demokratiefeindliche Hetze von Legida und Co lehnt sie ab und richtet den Blick lieber auf „Extremismus von links“
Eine Politikerin, die Menschen die Flucht nach Europa verwehren will, Asylrechtsverschärfungen forciert, Moscheen und Erstaufnahmeeinrichtungen nicht in ihrem Wahlkreis haben will als Unterstützerin des Ehrenamtsemfangs für Ehrenamtliche im Bereich Asyl? Es ist mehr als verständlich, dass dies irrtiert und zu kritischen Nachfragen führt. Der Empfang büßt m.e. auch dadurch Glaubwürdigkeit ein.
Es gilt die Unterstützung Geflüchteter im Alltag oder das Engagement gegen Rassismus mit den krassen Einschnitten in das Asylrecht, mit den politischen Fragen um die (Nicht)Zugehörigkeit, um das falsche Verständnis von Integration als Assimilation zusammenzudenken und keine gute Miene zum bösen Spiel zu machen.
Ich werde mich nichts desto trotz an dem Emfpang beteiligen. Denn der Dank gilt uneingeschränkt jenen, die sich engagieren und damit Solidarität lebendig werden lassen. Als vom linXXnet vorgeschlagener Programmpunkt werden Vertreter*innen des Asylum seekers movement einen Redebeitrag halten und damit einen Perspektivwechsel, nämlich auf die Situation von Geflüchteten und auf die Wirkung von institutionellem und gesellschaftlichem Rassismus, vornehmen. Frau Kudla dürfte das wenig gefallen.
Nachtrag: Auf dem Empfang präsentierten sich ausserdem das Projekt MIO für jugendliche Migrantinnen im Leipziger Osten und Menschen, die im Rahmen einer Patenschaft füreinander da sind. Alles in allem ei ne runde Veranstaltung, an der die CDU nur auf dem Papier teilnahm.