Die Linksfraktion im Leipziger Stadtrat hat die Schaffung eines Clearinghauses für unbegleitete minderjährige Geflüchtete beantragt. Der Stadtrat folgte dem Anliegen am Mittwoch. Meine Rede zum Thema:
Wir diskutieren derzeit viel über Asyl, sowohl auf der Straße, in Veranstaltungen, im Stadtrat und in unseren persönlichen Zusammenhängen. Mit unserem Antrag wollen wir eine ganz bestimmte, eine zudem sensible Zielgruppe in den Fokus rücken, die unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten.
Bei den jungen Menschen handelt es sich um eine als besonders schutzbedürftig anerkannte Personengruppe. Sie verlassen ihre Herkunftsländer ohne Angehörige, um Krieg, Gewalt oder bspw. Zwangsrekrutierungen zum Militär oder paramilitärischen Gruppierungen zu entkommen. Oft schicken Familien ihre Kinder los, damit sie für ihr junges Leben überhaupt eine Perspektive haben.
Wie die Zahl aller Geflüchteten wächst auch die der unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten. Auch darum wurde von der Bundesebene eine Gesetzesänderung in Angriff genommen, mit der die Verteilung der Unbegleiteten neu organisiert wird. Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes „zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher“ wurden die jungen Menschen dort in Obhut genommen, wo sie zuerst auftauchten. Darum kam es zu einer Ballung in den Bundesländern, die an den Transitrouten liegen, z.B. Bayern, Hessen, NRW, Bremen oder Hamburg. Ab 1.11.2015 nun werden die unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten bundesweit nach dem Königsteiner Schlüssel verteilt.
Zentral im Umgang mit den jungen Menschen ist: Die ohne Betreuungspersonen einreisenden Minderjährigen sind ihren hier geborenen Gleichaltrigen komplett gleichgestellt, bei allen behördlichen Entscheidungen hat das Kindeswohl Vorrang.
Das heißt, dass sie wenn sie in der Stadt Leipzig auftauchen zuerst in Obhut genommen werden, egal ob sie bleiben oder weiterverteilt werden.
Der Handlungsdruck wuchs in Leipzig nicht erst mit dem neuen Gesetz. Bereits seit Sommer steigt die Zahl der jungen Asylsuchenden, mittlerweile sind wir bei 435 angekommen, in den Vorjahren war ihre Zahl beinah an zwei Händen abzählbar.
Vor diesem Hintergrund wurden in Leipzig in kürzester Zeit über 200 Plätze zur Inobhutnahme aus dem Boden gestampft: in Offenen Treffs wie dem Mühlholz oder ehemaligen Kita wie im Andromedaweg in Grünau. Hier handelt es sich um Interims. Auch in betreuten Wohngruppen sind bis dato über 100 junge Geflüchtete untergekommen.
Was wollen wir nun mit unserem Antrag?
Ein wichtiges Element im Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten ist neben der Unterbringung das so genannte Clearingverfahren. Innerhalb dieses Verfahrens werden die persönliche Lebenssituation – u.a. auch der Verbleib von Eltern und Angehörigen, der gesundheitliche Zustand, asylrechtliche Fragen, aber auch individuelle Unterstützungs- und Hilfebedarfe der Jugendlichen ermittelt.
Der Bundesverband umF fordert, dass Clearingverfahren bundesweit zum Standard bei der Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge gehören müssen und eine geeignete Infrastruktur dafür bereit gestellt werden soll.
Wir haben uns mit unserem Antrag von der Stadt Chemnitz inspirieren lassen. Der dortige Jugendhilfeausschuss hat im September diesen Jahres die Einrichtung eines Clearinghauses beschlossen. Aufgrund des Anwachsens der Zahlen der unbegleiteten Minderjährigen wurden in Chemnitz inzwischen bereits zwei solcher Einrichtungen a 50 Personen geschaffen, die von freien Trägern betrieben werden.
Vorteile eines Clearinghauses wären u.a. dass so eine ganzheitliche Betreuung und Versorgung an einem Ort, die Bündelung von Fachkompetenzen, die bessere Kooperation zwischen den verschiedenen beteiligten Fachkräften und die zentrale Klärung der individuellen Zukunftsperspektiven des jungen Menschen ermöglicht werden kann.
Wir denken, dass die Einrichtung mindestens eines Clearinghauses ein Element eines Gesamtkonzeptes zur Aufnahme, Unterbringung, Betreuung und Integration von jungen Geflüchteten ohne Familie ist. Genau so verstehen wir den Verwaltungsstandpunkt.
Uns ist klar, dass wir für die neu ankommenden Kinder und Jugendlichen erstmal schnelle Lösungen brauchen. Nun ist es an der Zeit stabile und langfristige Strukturen zu schaffen und den Interims-Zustand langsam zu verlassen. Dies erwarten wir nicht nur in Bezug auf die Unterbringung und klaren Strukturen für das Clearingverfahren. Eine am Kindeswohl orientierte Versorgung der unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten steht und fällt mit fachkundigem, engagierten Personal. Wir danken den zahlreichen VerwaltungsmitarbeiterInnen bestehender Einrichtungen, die sich freiwillig für die Betreuung gemeldet haben. Dies darf aber nicht zulasten anderer Aufgaben, z.B. in Kita und Horten gehen. Wir erwarten, dass bald auch in personeller Hinsicht stabile Verhältnisse in den Inobhutnahme-Einrichtungen einkehren.
Der Antrag wurde mit großer Mehrheit angenommen.
(16.12.2015)