Meine Rede zum Antrag der AfD-Fraktion im Sächsischen Landtag „Kosovo, Albanien und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten deklarieren; Vorrang von Geldleistungen einschränken“
Billig, mehr kann man kaum zu dem hier ins Verfahren gebrachten Antrag der AfD Fraktion sagen. Scheinbar haben sie ihren nicht-Einzug in den Bundestag immer noch nicht verkraftet und simulieren hier im Landtag Bundespolitik indem sie wiederholt Dinge forcieren, die nicht in der Regelungskompetenz des Landesparlaments liegen.
Zudem liefern sie sich zumindest in Punkt 1 ein Wettrennen mit der CDU in Sachen Verschärfung des Asylrechts. Und all das um ihre außerparlamentarischen Verbündeten von Pegida und Co bei der Stange zu halten.
Wir leben in einer Zeit wachsender internationaler Konflikte, das zeigt sich nicht nur in Syrien, sondern auch in Lybien, Eritrea, Tschetschenien und auch auf dem Westbalkan. In diesen Ländern sind menschenrechtliche Standards nicht mehr gewährleistet, werden ethnische oder religiöse Minderheiten verfolgt.
Um Menschen zu schützen, die wegen humanitärer Notlagen aus ihren Herkunftsländern fliehen müssen, wurde 1951 die Genfer Flüchtlingskonvention geschaffen, der die BRD 1954 beitrat, deren adäquate Anwendung jedoch erst 2005 in das Asylverfahrensgesetz aufgenommen wurde. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist auch in Deutschland neben der EU-Qualifikationsrichtlinie das entscheidende und am meisten greifende Instrument um die Schutzbedürftigkeit von Menschen anzuerkennen. Das im deutschen Grundgesetz verfasste Grundrecht auf Asyl dagegen wurde im Jahr 1992 mit einer Mehrheit von CDU, SPD und FDP faktisch abgeschafft. Dies zeigen die bloßen Zahlen: Mit 1,8 % erreichten die Anerkennungen nach Artikel 16 a GG im Vorjahr ihren Spitzenwert.
Zentrale Elemente des Asylkompromisses von 1992 waren die Einführung des Prinzip der sicheren Herkunftsstaaten und des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Es ist kaum verwunderlich, dass sie in einer Zeit, die an die von Rostock-Lichtenhagen, Hoyerswerda, Mölln und Solingen erinnert, einer Zeit, in der Aufmärsche und Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte in beängstigendem Maße zunehmen, ich sage nur Freital, zu diesen fragwürdigen Instrumenten greifen. Kurz gesagt sie zündeln!
Darin unterscheiden sie sich zumindest in Punkt 1 allerdings wenig von den Kollegen der CDU. Bereits kurz nach Weihnachten hatte der Innenminister den Vorschlag in den Ring geworfen, Tunesien zum sicheren Herkunftsstaat zu erklären. Ein durchsichtiges Manöver, war doch Sachsen bis zum Jahresende einziges Aufnahmeland für aus Tunesien kommende Geflüchtete. Durchsichtig war das Manöver aber auch, weil es als Zugeständnis an den massiv auf die Straße getragenen Rassismus der letzten Monate gelesen werden musste und muss. Dasselbe gilt für die aktuell vorgetragenen Forderungen Albanien und den Kosovo zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären. Anstatt sich Fluchtursachen genau anzuschauen und nach humanitären Lösungen zu suchen, wird nach der Verschärfung des Asylrechts geschrien, um es dem patriotischen Wählerinnenklientel recht zu machen.
Ich kann an dieser Stelle keine umfänglichen Analysen der Verhältnisse in den benannten Staaten präsentieren. Darüber müssten wir allerdings viel mehr reden. Hinzuweisen bleibt auf die noch jungen und fragilen demokratischen Verhältnisse in Tunesien. Der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte wies infolge der Parlamentswahlen letzten Herbst auf virulente Defizite im rechtsstaatlichen System hin. Dass der Kosovo ein instabiler Staat ist, in dem bittere Armut und Korruption auf der Tagesordnung stehen, ein Zustand, an dem Deutschland nicht ganz unschuldig ist, dürfe auch hinlänglich bekannt sein. Weiterführen ließe sich das hinsichtlich der Situation der Roma in Mazedonien und Serbien, oder der Menschenrechtssituation in Eritrea.
Die LINKE lehnt das Prinzip der sicheren Herkunftsstaaten grundsätzlich ab. Länder können nicht per se als “sicher” eingestuft werden. Asyl wird Einzelpersonen mit individuellen Fluchtgründen gewährt. Deshalb muss jeder Asylantrag einzeln und intensiv geprüft werden. Eine hohe Ablehnungsquote bedeutet nicht, dass in einigen Fällen nicht doch Asyl gewährt wird. Das traf in den letzten Jahren auf Flüchtlinge aus den nun als “sicher” eingestuften Balkanstaaten zu.
Das Verwaltungsgericht Münster hat bereits kurz nach der im September vollzogenen Einstufung Serbiens, Mazedoniens und Bosnien-Herzegowinas als sichere Herkunftsstaaten Zweifel an der Verfassungsmässigkeit dieser Regelung geäußert.
Als Fußnote: außer einer Beweislastumkehr und einem damit einhergehenden Abbau rechtsstaatlicher Garantien im Asylverfahren bringt das Prinzip der sicheren Herkunftsstaaten recht wenig. Die damit behauptete Beschleunigung der Asylverfahren bleibt marginal. Es bleibt die bloße Signalwirkung an eine ressentimentsgeladene Öffentlichkeit.
Soweit so schlecht.
Betrachtet man nun den Punkt 2 des AfD Antrages zeigt sich nichts weiter als bürokratisch vorgetragene, aber zum Himmel schreiende Menschenfeindlichkeit. Sie fordern allen Ernstes die Wiedereinführung des Vorrangs des Sachleistungsprinzips, das inzwischen aus dem Asylbewerberleistungsgesetz getilgt ist und aus politischen Gründen in fast ganz Sachsen sowieso länger schon abgeschafft ist.
Sie verkennen zudem, dass in der im Herbst letzten Jahres in Kraft getretenen Novelle des Asylbewerberleistungsgesetzes das Sachleistungsprinzip bei der Erstaufnahme weiter vorgesehen und bei weiterem Aufenthalt auch noch möglich ist. Laut Artikel § 3 AsylBlG ist eine Leistungsgewährung in Form von Sachleistungen oder Wertgutscheinen weiterhin vorgesehen „soweit es nach den Umständen erforderlich ist“. Aber Sorgfalt ist so wenig ihre Sache wie die Menschenwürde. Sie stilisieren alle geflüchteten Menschen zu potentiellen Schmarotzern, denen grundlegende Rechte abgesprochen werden, wie in diesem Fall das Recht mit einem minimalen Geldbetrag, der unter dem Niveau des Arbeitslosengelds II liegt, selbst über ihre Versorgung zu bestimmen.
Mit Argumenten über das diskriminierende Prinzip von Paketen mit qualitativ fragwürdigen und überteuerten Lebensmitteln oder die Stigmatisierung aufgrund der Gutscheinbezahlung im Supermarkt, muss ich ihnen sehr geehrte Damen und Herren der AfD nichts erzählen. Es interessiert Sie nicht.
Dafür müssen sie sich an dieser Stelle nochmal die Forderungen der Refugees, die in der vergangenen Woche ein paar Meter entfernt für ihre Rechte demonstrierten, anhören:
„Die Grundlage eines guten Zusammenlebens können nur gleiche Rechte für alle sein. Das sind die Menschenrechte.“ hieß es in einer Erklärung. Es geht den Protestierenden um nicht mehr und nicht weniger als
– Bewegungsfreiheit
– Das Recht auf Bildung
– Das Recht eine Arbeit aufzunehmen
– Das Recht auf eine gleichwertige Gesundheitsversorgung
– Die gleichen demokratischen Rechte
Rechte also, die Menschen zustehen müssen, allein weil sie Menschen sind.
Genau aus diesem Grund werden wir diesen Antrag mit Nachdruck ablehnen.
Plenum des Sächsischen Landtages, 11.3.2015