Protest gegen Naziaufmarsch am 26.9.2015 in Leipzig! Antirassistische Demos: 12:00 Uhr ab Wiedebachplatz & 12:00 Uhr ab Eisenbahnstraße/ Rabet in Richtung Innenstadt.
>>> Aufruf von Refugees welcome
Am 26. September wollen die rechte Gruppierung „Widerstand Ost West“ und der selbsternannte „GIDA-Dachverband“ im Sinne eines gemeinsamen Aktionstages des nationalistischen Mobs, in Leipzig aufmarschieren. Bei den Organisator*innen handelt es sich dabei um zwei von zahlreichen Splittergruppen einer umfassenderen Welle aus nationalistischen bis offen faschistischen Mobilisierungen: „Hooligans gegen Salafisten“, sich als Bürgerwehren gerierende Facebook-Gruppen, oder die Pegida-Bewegung und ihre zahlreichen Ableger wie die Leipziger “Legida”. Seit gut einem Jahr überziehen reaktionär gesinnte Bewegungen sowohl soziale Netzwerke als auch die Straßen mit einer Mischung aus rassistischer, chauvinistischer und kaum verdeckt faschistoider Hetze.
Antifaschistische Bewegungen stehen momentan zweifelsohne der größten rassistischen Mobilmachung der letzten 20 Jahre gegenüber. Wir sehen uns dabei mit einem Schulterschluss der politischen Rechten und ihrem Versuch eine neue nationalistische Dynamik auf der Straße zu entwickeln konfrontiert. Seitdem die Hauptakteur*innen der Pegida-Bewegung aus Dresden, Leipzig und Chemnitz ihre Zwistigkeiten beigelegt haben und gemeinsam öffentlich auftreten, sind deren wöchentlichen Teilnehmer*innenzahlen wieder deutlich gestiegen. Die sächsische Vernetzung agiert auf hohem Niveau.
Dem nationalistischen Schulterschluss…
Bei der momentanen „Welle von Rechts“ handelt es sich nur scheinbar um eine spontan entstandene Bewegung. Vielmehr ist es gelungen anhand von ideologischen Fixpunkten längst vorhandene Ressentiments anzusprechen und so ein Spektrum der politischen Rechten zu mobilisieren, das vom chauvinistischen Spießbürger bis zum neonazistischen Fußballfan reicht. Anknüpfen konnte man dabei etwa an die sozialdarwinistischen Argumentationen Thilo Sarrazins oder den von Spengler bis Huntington herbei fabulierten „Untergang des Abendlandes“, der das „Absterben“ der eigenen „Kulturgemeinschaft“ heraufbeschwört. Hierbei handelt es sich um politische Hirngespinste, die an jedem CDU/CSU-Stammtisch nicht anders zu erwarten sind und sich auch durch ein SPD-Parteibuch nicht ausschließen lassen. Ebenso können die hohen Wahlergebnisse der AFD in Sachsen als Beleg für die hiesige Popularität dieses deutsch-tümmelnden Sozialchauvinismus in der „bürgerlichen Mitte“ gesehen werden. Angesprochen wird auch das “klassische” rassistische Milieu. Ohne großen Aufwand lassen sich die eher müßig verschleierten Vernetzungen zu rechten Hools und Kameradschaftsszene, genauso wie zur NPD und den relativ jungen neonazistischen Parteien “Der dritte Weg” oder “Die Rechte” aufzeigen. Neuere rechte Konstellationen wie die „German-Defense League“, die am italienischen Faschismus orientierte „Identitäre Bewegung“ oder neu-rechte Ideolog*innen wie etwa Götz Kubitschek – dem Mitbegründer des an konservativ-revolutionären Ideen orientierten „Institut für Staatspolitik“ – können sich hervorragend in Szene setzen.
In der Öffentlichkeit bemüht man sich derweil um ein bürgerliches Image. Statt sich des Menetekels des „Neonazis“ auszusetzen, inszeniert man sich als „besorgte Bürger*in“ und betont seine Verpflichtung gegenüber öffentlich vertretbaren Werten wie Demokratie, Familie, Patriotismus, Rechtsstaatlichkeit, der Wahrheitsliebe und der “Wahrung des abendländischen Kulturguts”. Man gibt sich gut-bürgerlich, post-ideologisch, anti-extremistisch. Dabei lässt es sich leicht in die staatlich vorangetriebene Sinnentleerung antifaschistischer Politik unter dem Vorzeichen der Extremismustheorie einreihen: Solange man sich nur verfassungskonform und staatstragend gibt, gilt noch das letzte reaktionäre Gefasel als legitim.
Nationalistisch-autoritäre Forderungen und Rassismus werden in der medialen Öffentlichkeit nicht als solche wahrgenommen, wenn sie unter dem allgemeingültigen Gesichtspunkt „ökonomischer Rationalität“ und „deutscher Leitkultur“ formuliert werden. Aus dem verbindenden Unterbau der einzelnen rechten Strömungen lässt sich jedoch auf eine im Kern faschistoide Vorstellung der Gesellschaft schliessen. Hierzu zählen allen voran ein völkischer Nationalismus, der mal kulturalistisch mal offen rassistisch begründet wird und der als Angst getarnte Hass auf alles vermeintlich “Fremde”, der sich bald als blanker Chauvinismus entpuppt. Dazu die antifeministische Verklärung konservativer Geschlechterrollen als natur-gegebene Ordnung, sowie die verschwörungstheoretischen Anfeindungen gegenüber liberalen und emanzipatorischen Werten. All dies eingekleidet in die Kitschromantik von politisch ausformulierten Sehnsüchten nach dem Eingriff einer autoritären Staatsmacht in individuelle Freiheiten.
Dem rassistischen Alltag…
Aufmärsche wie Pegida befördern ein Klima aus politischer Hetze gegen als „Schädlinge“ ausgemachte Minderheiten, aus aggressivem Nationalismus und rechter Selbstjustiz. Sie beschwören einen Feldzug gegen ein selbst geschaffenes Konstrukt vom Islam und wenden sich gleichermaßen gegen die emanzipatorischen Errungenschaften einer modernen Gesellschaft. Sie schüren Aggressionen gegen Migrant*innen und Geflüchtete, unliebsame Pressevertreter*innen, Linke und sowieso alle, die sich dem Dogma des “gesunden Patriotismus” nicht unterordnen können oder wollen. Übergriffe auf Menschen, die nicht ins Weltbild der selbsternannten Verteidiger des Deutschtums passen, mehren sich rapide und ein Ende des Anstiegs nazistischer Gewalttaten ist nicht abzusehen. Als opportune Opfer haben momentan meist Flüchtlinge unter der rechten Bedrohung zu leiden. Die Zahl der Angriffe auf Geflüchtete und deren Zwangsunterkünfte haben schon lange ein erschreckendes Niveau erreicht. Beinahe täglich gibt es Berichte über einen neuen Brandanschläge, mehr als hundert sind es mittlerweile. Besonders im ländlichen Ostdeutschland kommt es zu einer dramatischen Zuspitzung der Lage. In Anknüpfung an die rassistisch geführte Asyldebatte und den Fackelmärschen der NPD aus den Vorjahren kommt es vielerorts zu aggressiven, gewalttätigen Ansammlungen vor Asylunterkünften. „Bürgerwehren“ und “GIDA-Regional”-Ableger verbreiten sich in unzähligen Dörfern und Kleinstädten, um diese vor der eingebildeten “Überfremdung” zu verteidigen. Die nationalistisch-verquere Selbstjustiz wird dabei nicht nur unkommentiert hingenommen, sondern legitimiert. Distanzierung von Gewaltakten durch die “neuen deutschen Führer*innen” bleibt ein reines Lippenbekenntnis, wenn im Rahmen der eigenen Aufmärsche gezielt Jagd auf Journalist*innen und Gegendemonstrant*innen gemacht wird. In den Dörfern und sächsischen Städten setzen Nazigruppen und rassistische Bürgerwehren in die Praxis um, was Pegida und deren Gesinnungskamerad*innen auf der Bühne und in sozialen Netzwerken predigen.
Die aktuelle Lage erinnert an die Pogrom-Stimmung der frühen Neunziger Jahre. In Heidenau und Freital erscheinen Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen wieder deutlich nah. Der entsprechende Aufschrei verhallt dabei im luftleeren Raum, während antifaschistische Aktivist*innen von einem Brandort zum nächsten ziehen und dafür auch noch zum Opfer staatlicher Repression werden.
Der kapitalistischen Verwertungslogik…
Die Aufmärsche des patriotisch-fremdenfeindlichen Mobs stellen dabei jedoch nur die Spitze eines tief in Politik und Gesellschaft verankerten rassistischen Normalzustands dar. Das Selbstbewusstsein mit dem die neue Rechtsbürgerlichkeit auftritt, äußert sich dabei nicht nur durch einige „sozial abgehängte Dorffaschos“ die sich nun wieder offen aus ihren dunklen Kellern trauen, sondern spiegelt schlicht die bereits auf allen Ebenen praktizierte Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik. Die Ende Juni verabschiedete Gesetzesänderung zur „Neuregelung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung“ stellt dabei ein herausragendes Beispiel für institutionalisierten Rassismus und die Entmenschlichung humanitären Leidens dar. Die stetige Verschärfung des Asylrechts zielt dabei auf die Kriminalisierung von Geflüchteten, die im Volksmund als Aufteilung in “akzeptable” Kriegsflüchtlinge und „sozialschmarotzende“ Wirtschaftsflüchtlinge propagiert wird. Ebenso wie der Diskurs um „ökonomisch nützliche oder schädliche Migration“, wird die humanitäre Hilfe hierbei auf die kapitalistische Logik der Verwertung reduziert. Wer tatsächlich leidet wird dabei jedoch zur reinen Ansichtssache und relativ zum deutschen Volk leidet bekanntlich so gut wie niemand.
Es ist einigermaßen müßig die Frage zu stellen wer hier wem die argumentativen Bälle zuspielt. Die Verwertungslogik innerhalb des kapitalistischen Rahmens der EU und Deutschlands bedingt die rassistische Argumentation des Mobs und dieser stärkt den strukturellen Rassismus des Systems. Beide sind nicht getrennt voneinander zu sehen, sondern partizipieren gleichermaßen an der Reproduktion des enthumanisierenden Gesamtrahmens. Im Sinne dieser Wertigkeitslogik werden trotz des vielerorts massiven Wohnungsleerstands Menschen unter lebensverachtenden Bedingungen in strukturschwachen Regionen und Stadtviertel in ausrangierten Bürogebäuden, Turnhallen und Zeltlagern über Monate und Jahre abgestellt – Miet- und Pachtpreise sowie Standortfaktoren stehen schließlich im Vordergrund. Damit erweisen sich diejenigen Forderungen als Status-Quo, die Bachmann, Rösler, Festerling und Co. seit Monaten predigen. Scheinbare Rechtsaußenmeinungen sind längst gesellschaftliche Realität.
Abgesehen von Minimalzahlungen – der absoluten Entmündigung die sie darstellen entsprechend als “Taschengeld” bezeichnet – bestehen kaum staatliche Hilfen die über das bloße Überleben hinausreichen. Arztbesuche, Sachleistungen, soziale und sozialtherapeutische Unterstützung, Rechtshilfen und so ziemlich alles was das Dach über dem Kopf übersteigt, wird oft nur durch ehrenamtliche Initiativen geleistet. So begrüßenswert es auch ist, dass diese Initiativen selbstständig entstehen und einen Gegenpol zum alltäglichen Alptraum der Geflüchteten in Deutschland bilden, umso offensichtlicher zeigt sich daran aber auch das Versagen der dafür verantwortlichen staatlichen Institutionen. Humanitäre Hilfe sollte keinen Akt der Aufopferung Einzelner darstellen, sondern ist eine durch die gesamte Gesellschaft zu tragende Verpflichtung die grundsätzlich allen zu gewähren ist .
Den Kampf ansagen…
Der Kampf gegen Pegida, Legida und Neonazis jeder Couleur ist zäher und langwieriger geworden als die meisten noch Anfang des Jahres vorhersahen. Währenddessen schütten staatliche Repressionsorgane Anzeigen und Prügel in kaum überschaubarem Ausmaß aus. Blockaden werden, sobald sie entstehen, zerschlagen und kriminalisiert. Brandanschläge auf Unterbringungen lösen statt dem nötigen Aufschrei bei vielen nur noch Achselzucken aus. Wenn staatliche Stellen Geflüchtete in menschenunwürdigen Unterbringungen zusammenpferchen, muss man anstelle von Solidarität und einem Mindestmaß an Menschlichkeit mit einen Ansturm aus Anfeindungen und Verleumdungen rechnen. Auch das „ Antifaschistische Leipzig“ bildet hier keine Ausnahme. In den letzten zwei Jahren gab es Zahlreiche Demonstrationen und Fackelmärsche gegen Geflüchteten-Unterkünfte und Moscheen, vor einigen Wochen hat es auch im Stadtteil Stötteritz gebrannt. NPD und AfD zusammengenommen erreichten bei den letzten Stadtratswahlen in mehreren Wahlkreisen mehr als 10 Prozent der Stimmen. Das verschwörungstheoretische Querfrontmagazin “Compact” hat hier seinen Redaktionssitz und die rechtsesoterische Medienproduktion “NuoViso” hat sich in der Südvorstadt angesiedelt. Trotz der anfänglich starken Gegenbewegung ist es bisher nicht gelungen die Legida-Aufmärsche zu verhindern.
Ein einzelner Aktionstag kann die vor uns stehenden Kämpfe nicht lösen, nichtsdestotrotz wird es Zeit wieder in die Offensive zu gehen! Es gilt erneut zu zeigen das Nazi-Demos auch in Sachsen verhindert werden können und gelebter Antifaschismus auch entgegen repressiver Polizeistrategien und deren politischer Rückendeckung Erfolg hat. Eine Stimmung der antifaschistischen Resignation können wir uns in Zeiten der pogromartigen, rassistischen Stimmung wie zuletzt in Heidenau nicht leisten. Den tagtäglichen Rassismus als Normalzustand zuzulassen kann keine Option sein. Da es wohl sonst niemand tun wird, liegt es nun einmal an uns der rassistischen Gewalt entgegenzutreten und den unerträglichen institutionellen Rassismus immer aufs Neue zu skandalisieren! Nazis sind nach wie vor die Räume zu nehmen. Den zumindest ideellen Schulterschluss vom rechten Bürgertum bis ins offen faschistische Lager, sowie den schönen Schein der Unschuld mit dem sich rassistische Bürger*innen umgeben können gilt es aufzudecken und anzugreifen! Faschistoide Ideologie, ob sie nun “gut-bürgerlich” oder neonazistisch daher kommt, muss demaskiert und die ihr momentan gewährte öffentliche Akzeptanz entzogen werden!
Darum nehmt den neuen deutschen Hetzer*innen am 26.09. in Leipzig die Straßen ab! Seid laut und leise, bunt und schwarz, zivil und ungehorsam und vor allem einfallsreich, entschlossen und wirksam.