Sinkende Zahl geflüchteter Menschen ist kein Indiz sinkende Fluchtursachen

Im ersten Halbjahr 2024 sind in Sachsen 4605 Geflüchtete angekommen, das besagt die Antwort des Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage von mir. Zugewiesen wurden nach Sachsen etwas mehr, nämlich 4703 Menschen. Die Herkunftsländern sind vor allem Syrien, Venezuela und Afghanistan, Länder, die durch kriegerische Auseinandersetzungen, Terror oder Verfolgung und autoritäre Regime geprägt sind.

Erstmals seit 2021 ist Sachsen im bundesweiten Verteilsystem wieder Aufnahmeland, vorher wurden in Sachsen aufgenommene Menschen in andere Bundesländer verteilt. (siehe Seite 6 https://www.linksfraktionsachsen.de/fileadmin/lfsachsen/mediathek/broschueren/202403_Brosch_Migration_web.pdf)

Die Zahl Geflüchteter, die nach Deutschland kommen, sinkt – im ersten Halbjahr um etwa 20 %. Das hat verschiedene Ursachen. Die Fluchtgründe allerdings nehmen eher zu als dass sie verschwinden. Laut UNHCR waren mit 117,3 Millionen weltweit seit 1945 noch nie so viele Menschen auf der Flucht.

Es sind Mechanismen der Abschottung – z.B. europarechtswidrige Grenzkontrollen, Zurückweisungen an der innereuropäischen Grenze und Pushbacks an den EU-Außengrenzen, die Menschen gewaltsam zurückhalten Schutz zu finden.

Die Kriege in Gaza, in der Ukraine, die Demokratiekrise in Venezuela oder die wenig präsenten gewaltsamen Auseinandersetzungen im Sudan oder Jemen und auch zunehmende Klimakatastrophen führen dazu, dass mehr und mehr Menschen ihre Heimat verlassen müssen, viele bleiben innerhalb des Landes oder fliehen in Anrainerstaaten.

Und trotzdem reißen die Debatten um Maßnahmen für noch mehr Abschottung, um Abschiebung und Drangsalierung von Geflüchteten nicht ab – und weite Teile der Gesellschaft entladen ihre Wut, ihren Hass und selbst gemachte Krisenerfahrungen und Abstiegsängste auf noch Schwächere.

Es ist die sächsische CDU mit ihrem Ministerpräsidenten, die das Grundrecht auf Asyl gemeinsam mit der AfD abschaffen will. Es sind die Ampel-Parteien, die mit der CDU Sozialleistungen für Geflüchtete auf niedrigem Niveau halten und die Zeit der Ungleichbehandlung gesetzlich noch verlängert haben, die mit Bezahlkarten Schikane und Ausgrenzung forcieren und auf der anderen Seite Wege in Ausbildung, Arbeit und damit Selbstbestimmung weiter versperren.

In Sachsen fabuliert der Innenminister ernsthaft über die Schaffung einer landeseigenen Grenzpolizei. Im Bund wird munter über die Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten diskutiert und es werden federführend vom Kanzler und seiner Parteikollegin und Bundesinnenministerin Faeser Abschiebungen in Kriegsgebiete auf den Weg gebracht. Und am Ende bedauern dieselben politischen Akteure rassistische Gewalt und die Verrohung der gesellschaftlichen Stimmung. Das ist mehr als unglaubwürdig, wenn nicht gar zynisch.

Als Linke fordern wir die Einhaltung menschenrechtlicher Standards, die nicht zuletzt die Lehren aus den Gräueln des Nationalsozialismus sind. Die Würde des Menschen muss unantastbar sein und bleiben. Es braucht legale Fluchtwege z.B. über humanitäre Visa, Kontingente, eine staatliche Seenotrettung und ein faires Verteilsystem innerhalb der Europäischen Union samt Harmonisierung von Aufnahmebedingungen, Asylverfahren und Zugängen in die Aufnahmegesellschaften.

Wir wollen eine Abrüstung in der migrations- und asylpolitischen Debatte: Auf dem Rücken schutzsuchender Menschen darf keine Politik und Hetze betrieben werden.

Die progressive, demokratische Zivilgesellschaft muss lauter werden. Schutzsuchende Menschen dürfen nicht weiter zu Sündenböcken gemacht werden, Rassismus ist kein Kavaliersdelikt.

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