Am 22.6.2016 wurde im Leipziger Stadtrat über ein Konzept zur Kinder- und Jugendbeteiligung diskutiert und beschieden. Mit Stimmen von CDU, SPD und AfD wurde der prekäre Zustand der Vergangenheit fortgeschrieben. Der Umgang mit dem Konzept zeigt zudem wie Beteiligung auf Augenhöhe nicht funktioniert
Das Konzept zur Kinder- und Jugendbeteiligung in Leipzig kann als Ergebnis eines mehrjährigen Prozesses verstanden werden, in dessen Zuge vielfältige Beteiligungsstrukturen und unter anderem das Jugendparlament auf den Weg gebracht wurden. Ein solches Konzept war überfällig. Es ist ärgerlich, dass es mit der Beschlussfassung im Stadtrat wieder nicht gelungen ist, die vielfältigen Projekte und Strukturen der Kinder- und Jugendbeteiligung auf stabile Füße zu stellen.
Kernstück des Verwaltungsvorschlages ist die Einrichtung einer Geschäftsstelle für Kinder- und Jugendbeteiligung im Amt für Jugend, Familie und Bildung. Diese soll neben der Gesamtsteuerung unter anderem auch die pädagogische Begleitung des Jugendparlaments übernehmen. Nachdem der Stadtjugendring diese im vergangenen Jahr mit treffender Kritik an der prekären finanziellen Ausstattung und mangelnder verlässlicher Kooperation mit der Stadtverwaltung abgegeben hatte, wird das Jugendparlament seit September 2015 interimistisch von der Fachstelle Extremismus und Gewaltprävention begleitet.
Die avisierte Ausstattung der Geschäftsstelle mit nur einer Personalstelle lässt ein Scheitern bereits jetzt voraussehen. Der gemeinsame Antrag der Links- und der grünen Fraktion, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und mit anderthalb Stellen zumindest eine angemessene personelle Ausstattung zur Begleitung und Koordinierung der demokratischen Beteiligungsprozesse und des Jugendparlaments zu schaffen, wurde von CDU, SPD und AfD ebenso abgelehnt wie der Vorschlag, das Konzept vor der Beschlussfassung noch einmal mit in diesem Bereich engagierten Akteuren zu diskutieren.
Mit diesem Verfahren hat die Verwaltung wieder deutlich gemacht, dass sie aus Fehlern der Vergangenheit nicht lernen will und gezeigt, wie Beteiligung auf Augenhöhe nicht funktioniert.
Auch die herablassenden Gesten bis hin zu Anfeindungen des Jugendparlaments in der Sitzung des Stadtrates am 22. Juni aus den Reihen der Stadträtinnen und Stadträte sind beschämend. Über wachsende Skepsis auch junger Menschen gegenüber den politischen Gremien und Entscheidungsprozessen muss sich angesichts dessen niemand mehr wundern.
Pressemitteilung Linksfraktion im Stadtrat zu Leipzig, 23. Juni 2016
Meine Rede zum Thema in der Ratsversammlung am 22. Juni 2016
Demokratie ist mehr als der Wahlakt alle vier bis fünf Jahre, mehr als seine Stimme abzugeben und sich dann zurückzulehnen, mehr als eine Staats- und Regierungsform. Eine lebendige Demokratie lebt von kulturvollem Meinungsstreit, von Einmischung, vom Ringen um die besten Lösungen für das Gemeinwohl. Demokratie bedeutet vor allem auch die Vielfalt der Beteiligungsformen.
Kinder und Jugendliche sind qua Alter vom Wählen ausgeschlossen, werden aber auch in Leipzig kleinteilig vor allem an der Gestaltung ihres Umfeldes – Spielplätze, Kita, Schulen oder Freizeitanlagen – beteiligt. Seit dem vergangenen Jahr haben wir in Leipzig mit dem Jugendparlament nun endlich auch ein stadtweites gewähltes Gremium zur politischen Partizipation von jungen Menschen. Das sind eigentlich wunderbare Voraussetzungen.
Lassen sie mich angesichts der heute zu votierende Vorlage nochmal einen Blick zurück werfen, um zu zeigen welche strukturellen Probleme wir in diesem Zusammenhang mit uns herumschleppen und wiederum zu zementieren drohen.
Bereist auf das Jahr 2009 geht der Beschluss zur Schaffung und finanziellen Ausstattung eines stadtweiten Jugendbeteiligungsgremiums zurück. Die in der Folge gebildete Initiative Jugendparlament hatte dann nichts desto trotz mit allerlei Widrigkeiten zu kämpfen: wenig ideelle und finanzielle Förderung und eine pädagogische Begleitung, die nicht wirklich auf die Altersgruppe der Teenager und Anfang-Zwanziger passte. Mit dem Wechsel des Trägers vom Kinderbüro zum Stadtjugendring Mitte 2012 und ausgestattet mit einem zunächst schmalen Budget wurde der Prozess auf stabilere, wenn auch prekäre Füße gestellt. Unsere Kritik richtete sich in dieser Zeit regelmäßig auf die schlechte Ausstattung des Trägers der pädagogischen Begleitung, der neben Aufbau und Begleitung des Jugendparlaments auch Beteiligungsstrukturen in den Planungsräumen der Jugendhilfe vorantreiben sollte – das alles anfangs mit einer halben Stelle und einem kleinen Sachkostenbudget. Später wurde die Stelle aus dem Jugendhilfeetat aufgestockt, zulasten anderer Projekte der Jugendhilfe.
Wie engagiert das Jugendparlament arbeitet, davon können wir uns seit Frühjahr letzten Jahres auch hier im Stadtrat und im neu gebildeten Jugendbeirat überzeugen. Im Hintergrund blieben allerdings die Störgeräusche, die Mitarbeiterin des Stadtjugendrings, die die verdienstvolle und nervenaufreibende Aufbauarbeit betrieben hatte, ging weg, und vor gut einem Jahr kündigte der Träger den Vertrag mit der Stadt ganz. Und das aus durchaus verständlichen Gründen: mangelnde verlässliche Kooperation mit der Verwaltung, die prekäre finanzielle Ausstattung und ein grundsätzlich fehlendes Verständnis dafür wie Jugendbeteiligung auf Augenhöhe funktioniert, wurden als Probleme angeführt. In dieser Situation wurde die pädagogische Begleitung interimistisch an die sowieso überlastete Fachstelle für Gewaltprävention gegeben und nochmal gingen zehn Monate ins Land. In diesen zehn Monaten gab es zwar zwei Treffen zwischen Verwaltung, Politik und Jupa, in denen die Zukunft der Kinder- und Jugendbeteiligung und damit auch des Jugendparlaments diskutiert wurden, schnell verschwand die angerissenen Debatten allerdings in den Tiefen der Verwaltung und wurden trotz wiederholter Bitten nicht noch einmal für die Akteure geöffnet. Diese Verfahren erwies sich als Paradebeispiel dessen, was man nicht beteiligungsorientiert und auf Augenhöhe bezeichnen muss. Genau deshalb greifen wir im gemeinsamen Änderungsantrag mit den Grünen den Vorschlag des Jugendparlaments auf das vorliegende Konzept noch einmal in eine breitere Debatte zu geben.
Nun zur Vorlage selbst:
Der Kernvorschlag, der uns darin gemacht wird: die Einrichtung einer Geschäftsstelle Kinder und Jugendbeteiligung im Amt für Jugend, Familie und Bildung findet unsere Zustimmung. Neben der pädagogischen Begleitung des Jugendparlament sollen der einen zu schaffenden Personalstelle zahlreiche weitere Aufgaben obliegen – klar und deutlich zu viele. Das Scheitern einer bedarfsgerechten und kompetenten Begleitung des Jugendparlaments und der anderen Aufgaben ist quasi vorpogrammiert, wir würden damit den prekären Zustand der Vorjahre fortschreiben. Zudem sind die vielen wohlklingenden Maßnahmen in der Vorlage weder zeitlich noch finanziell untersetzt und nicht zuletzt sind die dargestellten Maßnahmen nicht vollständig, weil zu verwaltungslastig.
Aus diesen Gründen Grund werbe ich an dieser stelle für den Änderungsantrag von Grünen und die LINKE, der durch den ÄA des Jugendparlaments inspiriert wurde.
Wir wollen das Konzept heute als Entwurf zur Kenntnis nehmen, statt beschließen und damit in einen neuen Beteiligungsprozess eintreten, der bis zum Jahresende beendet sein soll, in diesem Prozess können Ideen und Vorhaben geschärft und erweitert und verbindlicher gestaltet werden.
Wir wollen 1,5 Stellen für die pädagogische Begleitung und die neu einzurichtende Geschäftsstelle schaffen.
Lassen sie uns nach jahrelangem Herumwerkeln die Jugendbeteiligung auf tatsächlich stabile Füße stellen und die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen.