Die rassistischen Ausschreitungen in Chemnitz jähren sich in diesen Tagen zum sechsten Mal. Die juristische Aufarbeitung bleibt ernüchternd: Laut meiner Kleinen Anfrage wurden 124 der 164 Strafverfahren eingestellt (Drucksache 7/16690).
Mein Kommentar:
„Die große Zahl der Verfahrenseinstellungen ist für die Betroffenen ernüchternd und sendet an die Täter das Signal, dass ihr Tun mit hoher Wahrscheinlichkeit folgenlos bleibt. Eines der wenigen Verfahren gegen mehrere Neonazis entwickelte sich Anfang 2024 zum Justizskandal: Von den ursprünglich 28 tatverdächtigen Neonazis, die am 1.9.2018 gezielt Teilnehmerinnen und Teilnehmer der ,Herz statt Hetze‘-Kundgebung attackiert und verletzt hatten, erschien nur ein Bruchteil vor Gericht, einige Verfahren wurden schon vor dem Prozessauftakt eingestellt. Die drei vor Gericht Stehenden kamen mit einer Einstellung gegen Geldzahlung davon. Weitere Verfahren stehen noch immer aus.
Einer der Nebenkläger kommentierte im Januar 2024, er habe lernen müssen, ,dass Neonazis von der Justiz in Sachsen nichts zu befürchten haben, wenn sie in einem Mob auf politische Gegner*innen losgehen‘. Diese Einschätzung ist leider richtig. Ein solcher Umgang mit rechts motivierter Gewalt ist in Sachsen kein Einzelfall. Auch die Prozesse gegen 217 Neonazis, die 2016 gezielt Wohnhäuser, Läden und Menschen in Leipzig-Connewitz angriffen, sind noch immer nicht beendet. Für viele Angeklagte endeten sie bereits mit Verfahrensabsprachen und lächerlichen Strafen.
Die Kretschmer-Koalition hat es nicht hinbekommen, ihre Versprechen eines konsequenten Vorgehens und einer effektiven Strafverfolgung bei rechten Gewalttaten einzulösen. Das ist ein Skandal für sich. Die CDU hat daran offenbar kein Interesse bagatellisiert immer wieder die hiesige Neonaziszene. So erklärte Innenminister Armin Schuster nach dem extrem rechten Aufmarsch gegen den CSD in Bautzen lapidar, dieser sei ,keine sächsische Veranstaltung gewesen‘.“
Hintergrund
2018 marschierte wegen eines Tötungsdeliktes tagelang ein rassistischer in Chemnitz Mob auf, von mehreren dieser Demonstrationen ging massive Gewalt aus. Sie waren zugleich ein öffentlich zur Schau gestellter Zusammenschluss von AfD und Neonazi-Strukturen. Die Opferberatung RAA zählte 48 rassistisch, antisemitisch und rechts motivierte Angriffe in Chemnitz innerhalb einer einzigen Woche. Der Mörder des CDU-Politikers Walter Lübcke fasste nach diesen rechten Demonstrationen in Chemnitz seinen Tatentschluss, erst kürzlich präsentierten antifaschistisch Engagierte weitere Hintergründe zu den Verbindungen zur AfD.
PM 27.8.2024