Sächsische Justiz verzögert juristische Überprüfungen von Überwachungsmaßnahmen

lm Zuge der beiden ergebnislos eingestellten Ermittlungsverfahren gegen antirassistische Fußballfans bzw. politisch Engagierte in den Jahren 2013-2018 (AZ 371 Js 98/15 und 370 Js 108/15) haben sowohl vormals Beschuldigte als auch von Überwachungsmaßnahmen Drittbetroffene Antrag auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit der sie betreffenden Überwachung gestellt. Eine Kleine Anfrage (Drs 7/ 520) von mir zeigt nun, dass es bei der Bearbeitung der Anträge zu massiven Verzögerungen kommt. Der Staat tritt die Rechte der Betroffenen weiter mit Füßen.

„Gegen die Jahrelangen Überwachungsmaßnahmen konnten sich die zahlreichen zu Unrecht beschuldigten Fußballfans und Antifaschist*innen nicht anders juristisch wehren als Anträge auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit von staatlicher Überwachung zu stellen. Auch die zahlreichen Drittbetroffenen, mit denen die Beschuldigten in Kontakt standen, sprich Freund*innen, Arbeitskolleg*innen, Verwandte, aber auch Ärzt*innen, Journalist*innen oder Rechtsanwält*innen, versuchen sich im Nachhinein auf diese Art und Weise zu wehren. Gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts Dresden zur Telefonüberwachung, Personenobservation und den Einsatz eines IMSI-Catchers sind insgesamt 31 Personen aus dem ersten Verfahren und 53 Personen aus dem zweiten Verfahren vor Gericht gegangen, um die Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Während im ersten Verfahren bisher18 von 31 Anträgen bearbeitet wurden, ist es im zweiten noch kein Einziger.
Die benannten 18 Anträge wurden vom Amtsgericht Dresden als unbegründet zurückgewiesen, drei Drittbetroffene und ein ehemals Beschuldigter haben dagegen Rechtsmittel eingelegt. In zwei Fällen dieser sofortigen Beschwerden hat das Landgericht Dresden bisher entschieden. Zwar wurde die Anordnung der Telekommunikationsüberwachung und -aufzeichnungen dabei als rechtmäßig bestätigt, die konkrete Vollzugspraxis aber als rechtswidrig bewertet.

Ich fordere die sofortige Bearbeitung der Anträge. Die Betroffenen, die die jahrelange Ausspähung ihrer Privatsphäre aufgrund von hanebüchenen, sich als unbegründet herausgestellten Verdächtigungen, erdulden mussten, haben ein Recht darauf!

Nebenbei ist es absurd, dass das Gericht, das die TKÜ-Maßnahmen angeordnet hat, die Rechtmäßigkeit derselben überprüft. Das ist rechtsstaatlich fragwürdig.
Der Sächsische Datenschutzbeauftragte hatte 2018 bereits beanstandet, dass Drittbetroffene nicht über die sie betreffenden Überwachungsmaßnahmen informiert wurden und Telefondaten von Rechtsanwälten und Journalisten zum Teil jahrelang nicht gelöscht worden, obwohl sie gelöscht hätten werden müssen.“

Hintergrund:

Nach drei Jahren wurde im November 2016 ein Ermittlungsverfahren gegen 14 Personen wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung nach §129 Strafgesetzbuch ohne Ergebnisse eingestellt.Das Gros der Beschuldigten, darunter ein Fansozialarbeiter, wurde über die gesamte Zeit ausgespäht und überwacht (Telekommunikation sowie Observationen), diese Grundrechtseingriffe betreffen nicht nur die 14 Betroffenen, sondern etwa 240 Personen, die von den Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen betroffen, darunter auch mehrere Berufsgeheimnisträger wie Ärzte, Anwälte oder Journalisten.

Von 2015 bis 2018 lief zudem ein weiteres Ermittlungsverfahren im Fanmilieu der BSG Chemie Leipzig gegen 24 Personen die beschuldigt wurden, der Gruppierung „Ultra Youth“ anzugehören, die als „Vereinigung im Sinne von § 129 StGB anzusehen“ sei. Nach monatelangen Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen wurde das Verfahren mit Verfügung vom 7. Juni 2018 eingestellt. Wiederum waren auch Berufsgeheimnisträger, mindestens drei Rechtsanwält*innen und ein Journalist, von den Überwachungsmaßnahmen betroffen. Insgesamt wurden hier 56 Telekommunikationskontakte mitgehört bzw.-gelesen.

 

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