Am 3. November fand in Freiberg eine Protestdemo gegen eine „asylpolitikkritische“ aka rassistische Kundgebung der AfD statt. Anderthalb Wochen nach der gewaltsamen Eskalation gegen Geflüchtete am Bahnhof der mittelsächsischen Kleinstadt schickte sich die rechtsaußen-Partei an, ihre „Schäfchen“ zu bündeln und die Stimmung weiter anzuheizen.
Ich habe auf der Protestdemo gesprochen und dokumentiere an dieser Stelle meine Beitrag.
Am Freitag, 6. November, hat sich die NPD in Freiberg angesagt. Freiberg steht allerdings „nur“ als Synonym für zahlreiche andere Städte in Sachsen. In der vergangenen Woche haben im Freistaat 37 rassistische Aufmärsche stattgefunden.
Ich danke euch für die Einladung zu eurer Protestveranstaltung … es kann gar nicht hoch genug geschätzt werden, dass Menschen sich in diesen Tagen organisieren der Hetze gegen Geflüchtete offensiv entgegengetreten.
Bis September diesen Jahres haben in Sachsen 170 Manifestationen gegen und vor Unterkünften von Asylsuchenden stattgefunden. Bis zum Jahresende wird diese Zahl weiter massiv steigen. Derzeit finden in Sachsen täglich mehrere rassistische Aufmärsche statt. Vom Aufmarsch ist es nicht weit zum Übergriff. Die offizielle Statistik sagt, dass es hier bis September 66 solcher Übergriffe auf Unterkünfte für Asylsuchende gab, also mehr als einen wöchentlich. Bundesweit waren es im selben Zeitraum fast 500. Sachsen ist also auch hier negativer Spitzenreiter.
Die Brutalität und Rigorosität mit der verharmlosend Asylgegner genannte Menschen gegen Unterkünfte in ihrer Nachbarschaft oder Stadt vorgehen, konnten viele Anwesende sicherlich vor gut anderthalb Wochen live erleben, als sich am hiesigen Bahnhof bis zu 400 Menschen versammelt haben, um den Transfer von mit dem Zug ankommenden Geflüchteten zu ver- oder behindern. Wie dumpf der Hass ist zeigt sich genau an diesem Ereignis, ging es doch darum die Menschen aus Freiberg weg zu bringen. Es ist nicht das erste Mal, dass sich der rassistische Hass auch in dieser stadt gewaltsam Bahn gebrochen hat. Im Februar wurde an der Unterkunft am St.-Niclas-Schacht ein vermeintlicher Böller geworfen. Eine Person wurde dabei leicht verletzt. Im Juni stellte sich heraus., dass es sich dabei um einen Sprengstoffanschlag handelte. Ebenfalls im Oktober gab es eine Bombendrohung gegen eine der Unterkünfte auf der Chemnitzer Straße mit noch unbekanntem Hintergrund.
Wer sich die, die hasserfüllt gegen Schutzsuchende Menschen agitieren anschaut, wird bemerken, dass dort der organisierte Neonazi mit der Nachbarin oder dem Nachbarn Schulter an Schulter steht. Es sind die so genannten ganz normalen Bürgerinnen und Bürger, die sich mit Deutschlandfahnen und Ausländer-raus-Rufen vor Häuser stellen, in denen Geflüchtete Zuflucht finden sollen. So schockierend dieses Gemisch ist, so wenig überraschend ist es. Seit Jahren weisen sozialwissenschaftliche Studien eine hohe Zahl von fremdenfeindlichen Einstellung vor allem in Ostdeutschland aus. Mit Pegida sind diese Zahlen seit dem letzten Jahren quasi lebendig geworden, durch Menschen, sie sich Montag für Montag in Dresden, Leipzig, Chemnitz und anderen Orten auf die Straße stellen und zündeln. Es gibt nichts zu deuteln: Es gibt ein handfestes Rassismus-Problem vor allem in Sachsen, dem sich vor allem die verantwortliche Politik endlich stellen muss!
Mit einer Reihe von Demonstrationen will sich nun auch die Alternative für Deutschland auf der Straße in Szene setzen. Heute heizt die Afd die Stimmung in Freiberg an, es folgen Aufmärsche in Nordsachsen, Ostsachsen, Leipzig, Meissen, Chemnitz und mehrfach Heidenau. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.
Am vergangenen Freitag schlossen sich bis zu 500 Menschen der Afd-Demonstration in Pirna an. Auch die NPD hatte zur Teilnahme aufgerufen. Es wurde immer wieder der Nazi-Slogan „Frei, sozial und national“ skandiert. Wenige Zeit nach dem Aufmarsch wurden in der Pirnaer Innenstadt zwei Asylsuchende angegriffen und verletzt.
Es gibt nichts mehr drum herum zu reden.: die AfD arbeitet nachdrücklich daran, dass die Situation in diesem Land tatsächlich kippt. Das tut sie als Partei, die Verantwortung in Landes- und Kommunalparlamenten übernommen hat. Mit dem Ausbooten von Bernd Lucke im Sommer diesen Jahres hat die AfD einen gewaltigen Rechtsruck genommen, was nicht heisst, dass der Rassismus in ihren Reihe vorher nicht existent war. Die Trennlinien nach weit rechts außen werden unschärfer. Wenn sich eine Frauke Petry dieser Tage von einem Björn Höcke distanziert, der in Erfurt Woche für Woche gefährliche Hetzreden schwingt, ist das Augenwischerei. Im Sächsischen Landtag und vor allem auf der Straße übernimmt die rechtsaussen Partei die Rolle der NPD. Ihre Hauptthemen sind Asyl und Sicherheit. Sie heizt an, versucht die CDU von rechts zu treiben. Jedem, der oder die sagt, dass eine Gleichsetzung von Afd und NPD fehl läuft, würde ich zustimmen und auf den Fuss folgend fragen: Was macht es für einen Unterschied ob mit nationalsozialistischem oder rechtspopulistischem Programm gegen Menschen hetzt. Wohlgemerkt Menschen, die vor Krieg, Verfolgung und Not fliehen.
Liebe Anwesende, es ist nicht alles düster. Aktionen wie diese heute geben Mut und geben vor allem, um die es geht Sicherheit, Schutz und ein Gesicht. Denn wir reden über Menschen, die hier im Kreuzfeuer stehen. Menschen, die vor dem Krieg aus Syrien, dem Islamischen Staat aus dem Irak, vor Kriegsfolgen aus Afghanistan, vor Diskriminierung und bitterer Not aus den Westbalkan-Staaten oder vor einer Militärdiktatur in Eritrea fliehen. Manche der Fluchtgründe werden in Deutschland anerkannt, immer mehr werden abgelehnt. Im Zeichen wachsender Flüchtlingszahlen schickt sich dieser Staat an Gesetze zu verschärfen und Menschen en Masse auszuschließen und abzuschieben. Wer sich schon mal mit dem Schicksal von Roma in Serbien oder Mazedonien befasst hat, wird schnell merken, dass es eine gefährliche Farce ist diese Staaten wie auch vier weitere des Westbalkan als sichere Herkunftsstaaten zu deklarieren. Wer die Asylsysteme in Ungarn oder Italien gesehen hat, wird es nicht ertragen, dass Menschen dahin zurückgeschoben werden, weil sie dort zuerst vermeintlich sicheres EU-Terrain betreten hat.
Wer sich die aktuellen Zahlen vor Augen führt: 1 Millionen Geflüchtete, die nach Deutschland kommen entsprechen 1,25 % der Bevölkerung, ein Bruchteil der nach Sachsen zugewiesenen Geflüchteten bleibt auch dauerhaft hier und schließlich wird Deutschland in den kommenden 30 Jahren um 6 Millionen Menschen schrumpfen– wird schnell merken, wie realitätsfremd die aktuellen Angstdiskussionen sind.
Was wir brauchen ist Offenheit. Offenheit im Herzen, im Kopf und auch in allen Teilbereichen dieser Gesellschaft. Es ist an uns, die derzeitige Stimmung so zu verändern, dass Geflüchtete als neue Mitmenschen aufgenommen werden und möglichst schnell an dieser Gesellschaft teilhaben können. Dazu gilt es vor allem auch ausgrenzende Gesetze abzuschaffen, die unter anderem die Pflicht in Gemeinschaftsunterkünften zu leben, keine gleichwertige Gesundheitsversorgung zu bekommen oder zunächst nicht arbeiten zu können, bedeuten. Denn reale Ausgrenzung schafft auch Ausgrenzung in den Köpfen.
In diesem Sinne: Kein Fußbreit den Rassisten! Refugees welcome, in Freiberg wie überall!
Freiberg, 3. November 2015
Viele Gebiete Ostdeutschlands werden von den Flüchtlingen offensichtlich als nicht gewollte Unterbrinungsorte angesehen, worin liegen die Ursachen das von 330 Flüchtlingen in Döbeln angeblich 240 die Erstaufnahmeeinrichtung dauerhaft auf eigenen Willen hin verlassen haben?
Wohin gehen diese Flüchtlinge? Nach Leipzig, Westdeutschland oder Schweden?
Wohin führt es wenn viele Flüchtlinge die ländlichen Regionen oder gar eine Großstadt wie Dresden verlassen? Hat dann eine Minderheit von Bürgern dort, dass erreicht was sie wollte oder werden sich Probleme im Zusammenleben mit alteingesessenen und den neuen Bürgern (anerkannte Asylbewerber) dann erst so richtig verschärfen und wird es zu mehr gewalttätigen Auseinandersetzungen kommen?
Anerkannte Asylbewerber deren Verfahren abgeschlossen ist, können sich in Deutschland frei bewegen und ihren Wohnort selbst bestimmen, irgendwann dürfen sie das dann auch in der gesamten EU tun.
Gibt es dann Gebiete wo Migrationsfreie-Zonen entstehen, in denen ein Mensch mit Migrationshintergrund sich seines Lebens nicht sicher sein kann oder regelmäßiger Diskriminierung ausgesetzt ist und deshalb dort nicht leben will / kann?
Und auf der anderen Seite Orte oder Stadtteile in denen sich viele Menschen mit Migrationshintergrund niederlassen und sich eine Parallelgesellschaft entwickelt, mit eigenen sozialen, kulturellen und religiösen Strukturen?
Die in Deutschland lebende Bevölkerung also langfristig in verschiedene Gruppen gespalten wird?