Am 11. Januar 2016 überfiel ein Mob von mehr als 250 Neonazis den links-alternativen Leipziger Stadtteil Connewitz, attackierte Menschen, zerstörte zahlreiche Läden sowie Kneipen und gefährdete Menschenleben.
Laut einer letzten Antwort auf meine Kleine Anfrage waren im Dezember 2024 209 von 217 Beschuldigten rechtskräftig verurteilt, in zwei Fällen gab es noch kein erstinstanzliches Urteil (Drucksache 8/551).
Am gestrigen Mittwoch ist eines der letzten Verfahren gegen den Justizbeamten Kersten H. abgeschlossen worden, es sei denn Staatsanwaltschaft oder der Verteidigung widersprechen dem vom Landgericht Leipzig gefällten Urteil. Dieses milderte das Strafmaß von ursprünglich einem Jahr und drei Monaten auf elf Monate Haft auf Bewährung ab. Damit würde H. Seinen Beamtenstatus nicht mehr zwingend verlieren. Dies geschieht erst ab einer Freiheitsstrafe ab einem Jahr.
Der Beamte hatte trotz Ermittlungsverfahren drei Jahre weiter in Justizvollzugsanstalten gearbeitet, erst im Januar 2019 wurde er suspendiert. Anscheinend stand der Justizbeamte zuletzt in seinem Job in direktem Kontakt zu inhaftierten Rechtsterroristen von der „Gruppe Freital“ und der „Freien Kameradschaft Dresden“. Obwohl dies 2019 öffentlich geworden ist (https://kreuzer-leipzig.de/2019/09/12/kameraden-auf-beiden-seiten-der-zellentuer), zog sich das juristische Verfahren gegen den Justizbeamten sechs Jahre weiter.
„Die schlimmsten Befürchtungen der Menschen in Connewitz nach dem Neonazi-Angriff 2016 haben sich bestätigt: Es gab keinerlei ernsthafte Ermittlungen zu den Hintergründen und Organisatoren eines der größten Neonazi-Überfallen in Leipzig seit 1990, sondern auch offensichtlich keine Bereitschaft die Justiz auf solch eine Vielzahl an Prozessen gegen über 200 Beschuldigte vorzubereiten. Diesen Umstand wusste sich wohl der Justizbeamte Kersten H. in seiner Verteidigung besonders zu nutze zu machen: mehrmals platzte der Prozess gegen ihn, einmal wurde sogar ein Haftbefehl erlassen, weil er unentschuldigt dem Prozess fern blieb. Die lange Zeitspanne zwischen Tat und Prozess, kam Kersten H. – wie vielen anderen Angeklagten – dann auch noch im milden Strafmaß zu Gute.
Es ist ein veritabler Skandal, dass ein Justizvollzugsbeamter an einem generalstabsmäßig vorbereiteten Neonazi-Angriff beteiligt ist, dann unbehelligt weiter im Justizvollzug arbeiten kann und dabei sogar mit Neonazis zu tun hat und der Prozess sich schlussendlich noch sechs Jahre hinzieht. Wenn er nun sogar unter dem Strafmaß bleibt, was ihn sein Beamtenverhältnis kosten könnte, verliere nicht nur ich jedes Verständnis. Es geschieht genau das was viele Menschen in Connewitz vor neun Jahren befürchtet haben: Verschleppung, keine Aufklärung und milde Strafen.“
PM 17. April 2025