Nachdem der Erste Teil schon gefloppt war, läuft der zweite mit derselben Geschichte aus dem sächsischen Storyboard, diesmal als juristisches Kammerspiel.
Es geht um ein Antifa-Plakat, auf dem „Einheitsfeierlichkeiten zum Desaster machen“ steht.
#dd2309 16:27 VerfS ruft an und fragt nach Verantwortlichen. Ob das bei #NSU auch passiert ist? #Plakatgate #3oct pic.twitter.com/4O0N3wNh1Z
— malobeo (@malobeoDD) 23. September 2016
Am 3. Oktober 2016 fanden die Einheitsfeierlichkeiten in Dresden statt. Dieser deutsche Ersatz-Nationalfeiertag ist schon immer Anlaß linker Kritik, inklusive antinationaler, antifaschistischer Proteste und Demonstrationen. Eine Vorabend-Demo in Dresden lief eher am Rande der Stadt, hauptsächlich durch die Südvorstadt, bewacht von einem Großaufgebot der Polizei. Zwischenfälle: keine.
Ironie der Geschichte: Aus Sicht der sächsischen Staatsregierung wurde die Einheitsfeier wohl tatsächlich zum Desaster, allerdings durch einen hasserfüllten Pegida-Mob, der von der Polizei unbehelligt die offiziellen Staatsgäste niederbrüllte – und das trotz der festungsartig gesicherten Dresdner Innenstadt, welche nach 1989 wohl selten eine solche Einschränkung der Bürgerrechte gesehen hatte. Das dadurch das „Demokratiefest“ innerhalb der Festung zur postdemokratischen Farce mit Wurst- und Bierständen geworden war, sei nur am Rande erwähnt.
Am anderen Ende der Stadt demonstrierte währenddessen Tatjana Festerling mit ihrer Festung Europa, unterstützt von den Wellenlängen, am Blauen Wunder. Ganz offen traten unterhalb der Elbbrücke organisierte Neonaziszene, enttäuschte Ex-Pegidas und andere besorgte Bürger zusammen auf. Der eher knapp gehaltene Polizeieinsatz am Blauen Wunder erlaubte es der organisierten Neonaziszene, missliebiges Publikum handfest zu vertreiben. Festerlings Aufruf, Merkel ein „Blaues Wunder“ zu bescheren, erzeugte kaum öffentliche Erregung bei jenen Blättern, die wegen eines antifaschistischen Plakates zu kollabieren drohten.
Soviel vielleicht zum Kontext des #plakatgate, welches im Vorlauf des 3. Oktober die Gemüter einiger Redakteure erhitzte. Zu besagter Zeit, im September 2016, war ich mit einem Abgeordneten-Kollegen Mieterin eines Büros in der Kamenzer Straße 38 in Dresden. Dieses Büro haben wir Abgeordneten jedoch nicht selbst genutzt, sondern verschiedenen AkteurInnen, Initiativen und Vereinen zur Verfügung gestellt, die dieses für ihre Arbeit nutzten. Meine Präsenz vor Ort war auf wenige Besuche im Jahr beschränkt gewesen.
Diverse Medien, allen voran die Morgenpost, machten es sich zur Aufgabe, ab Mitte September 2016 täglich sensationslustig über ein Plakat („Einheitsfeierlichkeiten zum Desaster machen“), das im Schaufenster des o.g. Büros hing, zu berichten. Auch ich wurde mehrmals dazu angefragt und habe mich auch dazu geäußert, beispielsweise gegenüber der Sächsischen Zeitung am 17.9.2016 und der Morgenpost Dresden am 20.9.2016: „DIE LINKE ist Teil der antifaschistischen Bewegung in der Gesellschaft, beteiligt sich aber prinzipiell nur an Aktionen, die vom Konsens der Friedfertigkeit getragen sind. Das Plakat ist keine Motivwahl der Partei. Kritik an der Art der Einheitsfeierlichkeiten und nationalistischen Bestrebungen in diesem Zusammenhang üben auch wir. Es gibt nicht wenige Menschen, die diese Feiern schon vor ihrem Beginn als Desaster empfinden.“
Zum #plakatgate hatte ich schon damals etwas geschrieben:
Auf die Perspektive kommt es an oder: viel Lärm um nicht besonders viel
Wahrscheinlich auch angesichts des tatsächlichen Verlaufs des 3. Oktobers herrschte danach schnell Ruhe, #plakatgate war schnell wieder vergessen. Doch nicht bei den ermittlungsfreudigen sächsischen Behörden, die hier schnell einen Anfangsverdacht wegen des „Aufrufs zu Straftaten“ ausmachten. Eine Dresdner Staatsanwältin bat mich um Stellungnahme. Wenn sich der Anfangsverdacht also manifestiert, könnte diese Angelegenheit zum siebenten Verfahren in der Legislatur werden, welches gegen mich angestrengt wurde. Drei führten bereit zu Immunitätsaufhebungen. Der möglicherweise politische Gehalt des Ermittlungseifers der sächsischen Behörden und die sich ergebenden Folgen, der notwendige zeitliche Aufwand, die nicht unerheblichen Kosten, waren ein Anlaß für eine kleine Soli-Aktion, die Geld gesammelt und dem ganzen Wahnsinn ein paar Texte gewidmet hat: Link zur Initiative „Gemeint sind wir alle“.