Geschriebene und nachhörbare Nachlese zum Hearing der Linksfraktion zum Protestgeschehen in Leipzig
Seit dem 12. Januar marschieren fast wöchentlich hunderte Menschen unter dem Banner von Legida („Leipziger gegen die Islamisierung des Abendlandes“) durch Leipzig. Tausende Menschen haben diesen euphemistisch „Spaziergängen“ genannten Versammlungen des Pegida-Ablegers Kontra gegeben. Zahlreiche gesellschaftliche Spektren – von Kirche, Gewerkschaften, Parteien, Vereinen und Initiativen – veranstalteten eine Vielzahl von Kundgebungen, Demonstrationen und spontanen Protestzusammenkünften.
Die Versammlungsfreiheit und der polizeiliche Umgang mit diesem Protest stand im Mittelpunkt der von der Linksfraktion veranstalteten Anhörung am 24. März im Leipziger Rathaus.
VertreterInnen zivilgesellschaftlicher Gruppen wie „Legida läuft nicht“, das Netzwerk gegen Islamfeindlichkeit und Rassismus und die Leipziger Demobeobachtung berichteten anschaulich über verwehrte Zugänge zu angemeldeten Versammlungen, die gewaltsame Räumung von friedlichen Sitzblockaden und den auch sonst rabiaten Umgang der Polizei mit vielen, die ins Schema „GegendemonstrantIn“ gesteckt wurden. Während Protest Grenzen gesetzt wurde und wird – so ist aktuell nicht mal mehr die Meinungskundgabe in Hör- und Sichtweite der Laufstrecke von Legida möglich – scheint Legida schalten und walten zu können, wie sie wollen.
Exemplarisch dafür steht deren zweiter Marsch am 21. Januar. Bei einem Rekord-Polizeiaufgebot von über 5000 PolizistInnen konnten die AnhängerInnen der rassistischen Bewegung vermummt, maskiert und drohend durch die Leipziger Straßen laufen. Die Polizei intervenierte an diesem Tag nicht, als JournalistInnen angegriffen wurden. Auch beim folgenden „Spaziergang“ am 30. Januar wurde die Arbeit von PressevertreterInnen eingeschränkt. Diesmal allerdings von der Polizei, die einen Journalisten tätlich davon abhielt die rabiate Räumung einer Sitzblockade zu dokumentieren. Im Umfeld des Geschehens wurden Menschen der Begehung von Straftaten bezichtigt, so ein Mann, der einen verletzten Frau helfen wollte.
Misst die Polizei bei (No)Legida mit zweierlei Maß? Dies bejahten die ReferentInnen bei der Anhörung unterm Strich. Es mangelt vor allem auch an Transparenz polizeilichen Handelns und Kommunikation.
Stephan Poppe vom Institut für Soziologie der Uni Leipzig machte eine weitere Perspektive auf: Die der Zahlen. Sowohl beim ersten als auch beim zweiten „Spaziergang“ von Legida wurden die TeilnehmerInnenzahlen von den offiziellen Stellen immens nach oben geschraubt. Die alternativen Zählungen ergaben für den 12. Januar zirka 2500 statt 5000 und für den 21. Januar zirka 7000 statt 15.000. Ähnliche Ergebnisse sind für die Pegida-Märsche in Dresden festzustellen. Der Umgang mit Zahlen hat durchaus politische Implikationen, wird damit doch auch die gesellschaftliche Relevanz der *gida-Bewegung gemessen.
Polizeiliches Fehlverhalten ist keine Lappalie. Darum ist es wichtig Vorfälle zu dokumentieren und gegebenenfalls zur Anzeige zu bringen, so das Plädoyer am Ende. Die Linksfraktion wird die geschilderten Erfahrungen in die parlamentarische Aufarbeitung des Protestgeschehens einfließen lassen. Die Forderungen nach Kennzeichnungspflicht von PolizeibeamtInnen und der Einrichtung einer Polizeibeschwerdestelle bekommen vor dem Hintergrund der aktuellen Geschehnisse eine neue Dringlichkeit.