Innenminister Markus Ulbig will sich dafür einsetzen, dass Tunesien als sicheres Herkunftsland eingestuft wird. Der Generalsekretär der sächsischen CDU, Michael Kretschmer, kündigt an, dass seine Partei die Asyl- und Zuwanderungspolitik grundsätzlich auf den Prüfstand stellen werde.
Dazu erklärt Juliane Nagel, Sprecherin für Flüchtlings- und Migrationspolitik der Fraktion DIE LINKE:
Das Vorhaben des Innenministers, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass Tunesien als sicheres Herkunftsland eingestuft wird, lehnen wir ab. Einerseits sind die Entwicklungen in dem nordafrikanischen Staat noch zu frisch, um von einer funktionierenden Demokratie zu sprechen. Erst vor wenigen Monaten trat dort eine neue Verfassung in Kraft, im Oktober fanden Parlamentswahlen statt, aus denen die säkulare Nidaa Tounes („Ruf Tunesiens“) als stärkste Kraft hervorging. Der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte begrüßte die Entwicklungen in der jungen arabischen Demokratie, wies aber auf Defizite im rechtsstaatlichen System hin. Laut dem Einwanderungs- und Flüchtlingsausschuss Kanadas werden interreligiöse Ehen in Tunesien institutionell benachteiligt.
Andererseits ist die Deklarierung sicherer Herkunftsstaaten prinzipiell kritisch zu betrachten. Dieses Instrument ist ein Produkt der faktischen Abschaffung des Grundrechts auf Asyl 1993. Asylanträge von Menschen aus den so kategorisierten Staaten können leichter und ohne Tiefenprüfung als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt werden; damit wird das individuelle Grundrecht auf Asyl faktisch außer Kraft gesetzt. Über Jahre befanden sich mit Senegal und Ghana nur zwei Staaten auf der Liste der sicheren Herkunftsstaaten. Erst im September war der Bundesrat der Einstufung von Bosnien, Mazedonien und Serbien als „sichere Herkunftsstaaten“ gefolgt, obwohl die systematische Diskriminierung insbesondere der Minderheit der Roma in diesen Staaten auf der Hand liegt. Das Verwaltungsgericht Münster hat kurz danach Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Gesetzesänderung geäußert.
Wir stimmen Michael Kretschmer zu: Es bedarf einer kritischen Bestandsaufnahme der Asyl- und Zuwanderungspolitik. Die Stoßrichtung von politischen Reformen muss allerdings darauf zielen, Asylchancen zu verbessern und Zuwanderung zu erleichtern. Die Ankündigungen führender sächsischer CDU-Politiker weisen allerdings in Richtung einer weiteren Verschärfung des Asylrechts, die „PEGIDA“ fungieren dabei offenbar als Stichwortgeber. Wenn die CDU weiter unkritisch auf diffuse Forderungen einer undemokratischen Bewegung reagiert, trägt sie innerhalb der aufgeheizten Asyldebatte nicht zur Deeskalation bei, sondern zündelt ebenso wie manche Brandstifter, die an den vergangenen Montagen in Dresden gegen das Asylrecht marschierten. Wir fordern die CDU auf, stattdessen Verantwortung für eine moderne Asyl- und Zuwanderungspolitik zu übernehmen.
PM Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag, 29.12.2014