Der Tätigkeitsbericht des Sächsischen Ausländerbeauftragten wurde am 9.11.23 im Sächsichen Landtag diskutiert. Im Fokus des Berichtes stehen die Fluchtbewegungen infolge des russischen Krieges gegen die Ukraine und die Arbeit der Behörden in Sachsen.
Was möglich ist, wenn es politisch gewollt ist, das zeigte und zeigt die Hilfe für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Und schnell wird die Diskrepanz zu jenen sichtbar die selbst vor Krieg und Terror etwa in Syrien und Afghanistan geflohenen sind und die Ausschluss und Diskriminierung vielen Ebenen tagtäglich erleben müssen – auch dazu habe ich gesprochen:
Vielen Dank für den aktuellen Jahresbericht, der doch immer wieder eine wichtige Reflexion der Lage der Migrationsgesellschaft, der Fluchtbewegungen, der Herausforderungen und von Lösungsansätzen ist. Danke an Sie Herr Mackenroth und ihr Team. Und möglicherweise ist es ja der letzte Jahresbericht, den wir komplett unter ihre Ägide gefertigt vorgelegt bekommen.
Der Bericht steht im Zeichen der Fluchtbewegungen aus der Ukraine. Eine Zeit, die für uns aller erschütternd und bewegend war. Und leider immer noch ist, auch wenn der russische Angriffskrieg auch vor dem Hintergrund neuer Krisen und Konflikte aus dem Fokus geraten scheint.
Erinnern wir uns wie schnell die zivilgesellschaftlichen Hilfenetzwerke am Start waren, bei Unterbringung, Versorgung und Begleitung der aus der Ukraine Flüchtenden sorgten und die Schwerfälligkeit staatlicher Strukturen kompensierte. Im Falle der Ukraine-Geflüchteten wurde zudem auf EU-Ebene zum ersten Mal von der Richtlinie über den vorübergehenden Schutz Gebrauch gemacht, also den Betroffenen pauschal der Schutzstatus zugesprochen. Das bedeutet auch hierzulande den Wegfall des Asylverfahrens, Bewegungsfreiheit und gleiche soziale Rechte. Ukrainerinnen und Ukrainer wurden von Vermietern mit offenen Armen aufgenommen, bekamen schnelle Chancen auf dem Arbeitsmarkt.
Was möglich ist, wenn es politisch gewollt ist, das zeigte und zeigt die Hilfe für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Und schnell wird die Diskrepanz zu jenen sichtbar die selbst vor Krieg und Terror etwa in Syrien und Afghanistan geflohenen sind und die Ausschluss und Diskriminierung vielen Ebenen tagtäglich erleben müssen.
Warum ist es für genau diese Gruppen nicht möglich ähnlich klare und einfache Wege zu gleichberechtigter Teilhabe zu schaffen?
Den Grund kennen wir und er prägt auch viele aktuellen Debatten um den Anstieg der Zahlen Schutzsuchender. Es sind Hautfarbe und die Religion, es sind irrationale Ängste und Abwehr, es ist Rassismus.
Gut dass sie dies in ihrem Bericht darstellen. Als Linke werden wir weiter für Gleichbehandlung wirken.
Ein weiterer Schwerpunkt des Berichtes ist die Arbeit der Behörden. Vorgestellt werden die ABH im Vogtlandkreis und in der Stadt Leipzig, zwei Ausländerbehörden die für ihre ermöglichende Haltung und Arbeit bekannt sind. Der Leiter der Vogtländischen Behörde Jens Mittenzwey sagt sodann auch: Wir werden Migration nicht verhindern können. Sie sei schon immer da und müsse gestaltet werden.“ Was die Ausländerbehörden in Sachsen gemein haben ist Personalmangel. Die unzähligen Änderungen in Asyl- und Aufenthaltsrecht der letzten Jahre sind mit Weiter- und Fortbildungs- und Personalaufwuchsbedarf verbunden. Das betrifft ganz augenfällig besonders den Bereich der Einbürgerung, Chancenaufenthalt oder Fachkräfteeinwanderungsgesetzgebung. Bei der Einbürgerung gibt es in Sachsen Wartezeiten bis zu 2 Jahren, beim Chancenaufenthalt über ein halbes Jahr. Hier können sich Bund und Land keinen schlanken Fuss machen: Es braucht eine Digitalisierungsoffensive, eine Offensive für interkulturelle Öffnung, aber auch Aufgabenkritik: Welche überflüssigen Kontroll- und Aufenthaltsrechtlichen Aufgaben liegt bei den Behörden? Wie kann Ermessen ausgeübt und Entscheidungspraxen vereinfacht werden. Wir haben schon vor vielen Jahren einheitliche Verfahrenshinweise für die sächsischen Ausländerbehörden gefordert, wie sie in Berlin von der Landesebene erlassen werden. Das schafft Synergien und einen Rahmen, auch hin zu Ausländerbehörden als Dienstleister*innen in einer offenen Migrationsgesellschaft.
Als drittes Thema will ich die Härtefallkommission herausgreifen. Dieses Instrument wurde den Ländern mit einer Änderung des Aufenthaltsgesetzes im Jahr 2005 in die Hände gegeben. Ziel ist Menschen im Einzelfall ein Bleiberecht zu ermöglichen. Sie, Herr Mackenroth, sind Vorsitzender der HFK, und haben mit der Kommission über die Jahre vielen Menschen und Familie eine Chance verschafft ihr Leben hier weiterzuführen. Da waren öffentlich aufmerksam betrachtete Fälle wie die von Luan Zejneli, der jetzt in einer Zahnarztpraxis in Leipzig arbeitet. Oder Hasibullah Ahmadzei, der in Dresden in einem Bekleidungsgeschäft arbeitet, dessen Antrag durch die HFK befürwortet, aber vom vormaligen Innenminister abgelehnt wurde.
Und das markiert ein Problem an der aktuellen Rechtsgrundlage für die sächsische Härtefallkommission. Vier Mal hat der sächsische Innenminister im letzten Jahr die Ersuchen der Härtefallkommission abgelehnt, ein Bleiberecht für vollziehbar ausreisepflichtige Menschen auszusprechen.
Wir als LINKE könnten uns sowohl ein andere Zusammensetzung und andere Quoren für Entscheidungen innerhalb der Kommission vorstellen.
Die Härtefallkommissionsverordnung benötigt dringend eine verbindliche Regelung für Widersprüche zwischen Kommission und Innenministerium: Das Mindeste wären ein Anhörungsrecht der Kommission und eine Verpflichtung zur Begründung von abweichenden Entscheidungen des Innenministeriums.
Doch das Plädoyers das in die Spur zu bringen, muss in Richtung der Koalition erfolgen. Viel Zeit bleibt dafür nicht mehr. Zeit, die für Betroffene allerdings wertvoll ist.
Im Bereich der Migrationspolitik stehen uns auch in den nächsten Monaten wichtige Debatten bevor: Wie schaffen wir eine humanistisch geprägte Aufnahme von Schutzsuchenden, wie gelingt die Repräsentation von Menschen mit Migrationsgeschichte in Verwaltungen aber auch Politik, wie können wir Wege in Bildung und Arbeit verbessern, wie können wir den virulenten Rassismus bekämpfen?
Wir werden uns weiter engagiert in die Debatten und das Finden von Lösungen einbringen, und hoffen das mit ihnen tun zu können, Herr Ausländerbeauftragter.