2021 hat die Polizeidirektion Chemnitz im Rahmen eines Pilotprojektes mehrere Bedienstete als Super Recognizer identifiziert. Bei ihnen ist die Fähigkeit, sich Gesichter oder äußere Merkmale eines Menschen einzuprägen, außergewöhnlich stark entwickelt. Die Polizei Sachsen hat inzwischen eine „Koordinierungsstelle Wiedererkenner“ eingerichtet, die in Ermittlungsverfahren dabei hilft, unbekannte Tatverdächtige zu identifizieren. Weitere Tests auf Eignung als Super Recognizer sollen in den Polizeidirektionen Leipzig und Dresden stattfinden.
Die Sprecherin der Polizei Chemnitz teilte im März 2023 mit, dass Super Recognizer in Sachsen bereits an über 400 Ermittlungsverfahren mitgewirkt hätten. Auf meine Anfrage konnte oder wollte Innenminister Armin Schuster jedoch weder Auskunft zu den Ermittlungsverfahren erteilen, in denen bisher Super Recognizer mitgewirkt haben, noch über den Umfang und die Kosten der geplanten Testungen in Leipzig und Dresden informieren (Drucksache 7/13164). Offen bleibt auch, ob Super Recognizer in Sachsen präventiv zur Überwachung von Fußballfans oder Demonstrierenden eingesetzt werden. Schuster zufolge kamen sie bisher bei Ermittlungsverfahren etwa im Zusammenhang mit Fußballspielen zum Einsatz, nicht aber bei Versammlungen. Ich kommentiere:
„Ob unter Wöller oder Schuster: Das Innenministerium hält alle Informationen zum Einsatz polizeilicher Super Recognizer quasi geheim, zumindest gegenüber dem Landtag. Es ist offen, ob Super Recognizer auch präventiv im Einsatz sein können, ohne dass Straftaten stattgefunden haben. Jedenfalls erschwert Minister Schuster damit die parlamentarische Kontrolle massiv.
Wenn Super Recognizer dabei helfen, Straftaten aufzuklären, braucht es Transparenz und Rechtssicherheit. Sachsens Polizei überwacht aber seit Jahren mit Vorliebe bestimmte Demonstrationsgeschehen und Fußballfanszenen systematisch mit Kameras, Hubschraubern und Drohnen. Super Recognizer wären ein weiteres Medium, um unbescholtene Menschen in den Ermittlungsfokus zu nehmen. Fälle wie im Juni 2022 in Annaberg-Buchholz, als eine Person mehr als einen Monat nach einer vorgeworfenen Straftat von der Polizei wiedererkannt worden sein soll (Drucksache 7/10994), lassen zumindest daran zweifeln, ob Super Recognizer nur zur Aufklärung von Delikten herangezogen werden.
Das Innenministerium muss Klarheit über den Einsatz von Super Recognizern herstellen! Schließlich steht es Teilnehmenden an Demos und Fußballspielen zu, von einer präventiven Überwachung durch die Polizei zu erfahren, selbst wenn menschliche ‚Speichermedien‘ mit außergewöhnlichen Merkfähigkeiten diese Beobachtung durchführen.“
PM 26. Juni 2023