Das Ladenschlussbündnis erklärt die Motivation für eine kritische Intervention ins städtische Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus am 27.1.2019 in Leipzig-Abtnaundorf.
Am 27.1.2019, dem Tag, an dem vor 74 Jahren das Vernichtungslager Auschwitz von der Roten Armee befreit wurde, finden bundesweit Gedenkveranstaltungen statt. So auch in Leipzig, traditionell am Mahnmal in Leipzig-Abtnaundorf. Dort befindet sich ein Mahnmal, das an das sogenannte Massaker von Abtnaundorf erinnert: Am 18. April 1945 ermordeten hier Angehörige der SS kurz vor Einmarsch der Amerikaner über 80 KZ-Häftlinge, indem sie sie in eine Baracke sperrten und diese anzündeten.
Seitdem die völkisch-nationalistische AfD in die Parlamente der verschiedenen Ebenen eingezogen ist, werden deren Protagonist*innen zu den offiziellen Gedenkveranstaltungen eingeladen. So auch in Leipzig. Stadträte der Partei stehen dann dort neben Akteur*innen aus Politik und Zivilgesellschaft und legen Blumen nieder. Eine Partei, deren Protagonist*innen den Holocaust relativieren oder gar leugnen, den „Schuldkult“ beenden wollen oder den Nationalsozialismus, der 6 Millionen Juden und Jüd*innen das Leben kostete, einen „Vogelschiss“ in der Geschichte nennen, werden zu akzeptierten Gedenk-Teilnehmer*innen.
Wir finden das unerträglich. Als Ladenschluss-Bündnis haben wir darum in Leipzig am 27.1.2019 eine kritische Aktion gegen ein Gedenken mit der AfD initiiert. Mit der Botschaft „Kein Gedenken mit Faschist*innen und ihren Wegbereiter*innen“ nahmen wir an der Gedenkveranstaltung in Abtnaundorf teil und verteilten Flyer.
Wir halten ein sinnvolles und kämpferisches Erinnern am 27. Januar, den Jahrestag der Befreiung von Auschwitz, für nicht möglich, solange AfD-Vertreter*innen daran teilnehmen. Mit ihnen zusammen kann man nicht erinnern, vor ihnen muss man gerade an diesem Tag warnen!
Dass es anders geht, und das „offizielle Protokoll“ (nach dem alle demokratisch gewählten Fraktionen zu Gedenkveranstaltungen eingeladen werden) auch politischen Prämissen unterliegen kann, zeigten in der Vergangenheit die Ausladungen von AfD-Politiker*innen von Gedenkveranstaltungen in Gedenkstätten, wie Buchenwald oder Mittelbau-Dora.
Die Losung „Schweigen heißt Zustimmung“ halten wir denen entgegen, die die Teilnahme der AfD als nebensächlich oder demokratisch legitim bezeichnen. Während unserer stillen, kritischen Intervention bei der Gedenkveranstaltung am Mahnmal in Leipzig-Abtnaundorf äußerten einige Teilnehmende der Gedenk-Veranstaltung, dass die Aktion „unpassend“ sei und wir die Gedenkfeier „politisch instrumentalisieren“ würden. Es ist schon bezeichnend, dass sich einige Anwesende mehr an einem im Hintergrund hochgehaltenen Transparent stören als an der Anwesenheit von Vertreter*innen einer völkisch-nationalistischen Partei. Besonders fraglich ist in diesem Zusammenhang, dass gerade bei Gedenkveranstaltungen immer wieder betont wird, wie wichtig es sei, sich in der Gegenwart und Zukunft im Sinne von „Nie wieder“ sämtlichen völkisch-nationalistischen Entwicklungen sowie Antisemitismus, Rassismus und allen menschenverachtenden Einstellungen entschlossen entgegenzustellen und diese zu bekämpfen.
Die Shoah wurde dadurch möglich, dass die Zustimmung zur Verfolgung und Vernichtung von Jüdinnen und Juden aus der Mitte der Gesellschaft kam. Ebenso wie die Verfolgung und Vernichtung all der anderen Menschen, die nicht in das menschenverachtende Ideologie der Nazis passten. Genau hier liegt eine wichtige Herausforderung für den Umgang mit der Geschichte in der Gegenwart. Deutschland präsentierte sich in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder als ein geläuterter Staat, der aus seiner Geschichte gelernt habe und dadurch mit seiner Erinnerungskultur ein Vorbild für andere Länder sei. Dass aber eine Erinnerungskultur und -politik, die aus der Shoah eine positive Identitätsbildung generieren möchte, versagen muss, zeigt sich nicht zuletzt am aktuellen politischen Klima.
In diesem Sinne: Kein Gedenken mit Faschist*innen und ihren Wegbereiter*innen!