Zum wiederholten Mal haben sich am 11. November 2015 an die 200 Menschen in Dresden-Laubegast eingefunden, um mit Fackeln gegen eine geplante Unterkunft für 94 Personen im ehemaligen Hotel „Prinz Eugen“ zu protestieren. Auch diesmal wurde die Demonstration der Initiative „Nein zum Vier-Sterne-Heim in Laubegast“ nicht angemeldet. Seit dem 27.10. marschierten Anwohner/innen fast täglich, laut Recherchen des online-Projektes „Straßengezwitscher“ jedes Mal ohne Anmeldung. Die Polizei war nur ab und an in kleiner Zahl präsent.
Es stellt sich die Frage, ob das Versammlungsgesetz für rassistische Aufmärsche in Sachsen nicht mehr gilt. Zwar antwortet die Stadtverwaltung Dresden auf Anfrage von Radio Dresden, dass „mit Ausnahme von Spontanversammlungen alle Versammlungen einer Anzeigepflicht unterliegen“, relativiert aber danach, dass „der Gesetzgeber das Nichtanzeigen einer Versammlung nicht sanktioniert“ hätte. Es obläge Personen, die eine Versammlung veranstalten wollen, diese auch anzuzeigen. Scheinbar ist weder der Versammlungsbehörde Dresden noch der hiesigen Polizei das Sächsische Versammlungsgesetz geläufig. Dort heißt es in § 27 Abs. 2 „Wer als Veranstalter oder Leiter eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel oder einen Aufzug ohne eine nach § 14 erforderliche Anzeige durchführt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.“ Wohlgemerkt wurde zum Gros der Hassmärsche nach Dresden-Laubegast per Facebook mobilisiert, was auch den Behörden nicht entgangen sein dürfte.
Es scheint, als würde die vor allem durch die CDU betriebene Bagatellisierung von rassistischer Stimmungsmache nun in den Behörden vollzogen. So werden laut Aussagen der Polizei die Aufmärsche in Laubegast, wie auch der spontane Auflauf von an die 1000 Menschen am 5.10.2015 in Chemnitz-Einsiedel als „Ansammlung“ und nicht als „Versammlung“ gewertet und würden damit nicht dem Versammlungsrecht unterliegen. (vgl meine Kleine Anfrage „Blockade der geplanten Asyl-Notunterkunft des Freistaates in Einsiedel“ Drs 6/2996)
Dazu ist zu bemerken, dass die Aufmärsche klar der kollektiven Meinungskundgabe dienten, Transparente mitgeführt und Reden gehalten wurden.
Auch eine offensichtliche, weil am Tag vorher angekündigte Spontanversammlung von Legida-AnhängerInnen am 14. September 2015, die mit über 100 Personen und Transparenten zirka zwei Kilometer von der Dessauer Straße bis zum Hauptbahnhof verlief, wurde von der Staatsregierung lediglich als „fußläufige Anreise“ eingeordnet. (vgl. meine Kleine Anfrage „Spontanversammlung von Legida-AnhängerInnen am 14. September 2015 in Leipzig “ Drs 6/2776).
Mit einer Kleinen Anfrage („Ansammlungen“ und „Versammlungen“ vor Asylunterkünften Drs 6/ 3162) versuche ich in Erfahrung zu bringen, welche neuen Kriterien die Behörden bei der Klassifizierung von Versammlungen haben.
Denn: Es wird mit zweierlei Maß gemessen. Eine so laxe Auslegung des Versammlungsrechtes, wie z.B. in Dresden-Laubegast und Chemnitz-Einsiedel, würde bei antirassistischen Demonstrationen nie praktiziert. Offenbar hat das Versammlungsgesetz in Sachsen zumindest für RassistInnen nur noch empfehlenden Charakter.
PM 13. November 2015
Ein Gedanke zu „Gilt Versammlungsgesetz für rassistische Aufmärsche in Sachsen nicht mehr? Zweierlei Maß offenkundig“