Für Ende September ist die Fertigstellung des „Mikroapartemthauses“ in der Bornaischen Straße 20/22 gegenüber des Wiedebachplatzes geplant. Dann soll der Ende Mai 2021 geschlossene Netto wiedereröffnen und die 178 möblierten Apartments vermietet werden.
Bis Juni 2021 war hier ein Netto-Markt mit Parkplatz angesiedelt, das Gebäude wurde komplett abgerissen. Wieder 14 Jahre vorher, nämlich bis Ende 2007 war an der Stelle das Malerzubehör-Geschäft Tabo-Verges ansässig, auf dem benachbarten Parkplatz der Späti Lazy dog, die dem Netto weichen mussten, dem das gesamte Grundstück auch heute noch gehört.
Im Internet sind bereits Inserate für die Apartments mit Zielgruppe Studierende zu finden, dort ist von einer Apartmentgröße von 26qm – 44qm und „All-in-Mietpreisen“ von monatlich durchschnittlich 827€ zu lesen.
Nun ist in sozialen Netzwerken eine Debatte entbrannt, welche Auswirkungen diese Trutzburg mit überteuerten Apartments auf den Stadtteil hat und warum dies nicht verhindert wurde. Anlass genug etwas genauer hinzuschauen.
Nach öffentlichen Informationen (u.a. Anfragen von mir im Stadtrat LINK), wurde bereits 2019 ein positiver Bauvorbescheid erlassen, im August 2020 folgte dann die Baugenehmigung. Die Lückenschlussbebauung ist an dieser Stelle zulässig (wie auch an zahlreichen anderen Baulückenbebauungen nicht nur in Connewitz), nach § 34 Baugesetzgebung muss sie sich „nach Art und Maß der Bebauung, der Bauweise und der überbauten Grundstücksfläche in die umliegende Bebauung einfügen“. Es handelt sich um Bebauungen im unbeplanten Innenbereich, also außerhalb von Bebauungsplänen und damit – jenseits der in §34 BauGB festgesetzten Kriterien, die auch Erschließung des Grundstücks, aber auch Auswirkungen auf die Umgebung betreffen LINK) – auch ohne Regulierungsmöglichkeiten zum Beispiel im Hinblick auf die Festsetzung eines Anteils von Sozialwohnungen. Wenn die Kriterien durch den*die Bauherr*in erfüllt sind, kann die Baubehörde eine Baugenehmigung nicht versagen. Ein Ansatz zur Versagung könnte ggf die „Gefährdung von gesunden Wohn- und Arbeitsverhältnisse während und nach Vollendung des Vorhabens“ sein, dies sollte zumindest in Einzelfällen stärker geprüft werden. Für den Standort Bornaische 20/22 ist dies jedoch zu spät.
Besorgniserregend ist, dass sich mit dem Konzept Mikroapartments in ganz Leipzig, aber auch in Connewitz ein profitables Geschäftsmodell für Investor*innen und Anleger*innen ausbreitet. So findet sich in unmittelbarer Nachbarschaft der neuen Trutzburg bereits ein weiteres Mikroapartment-Haus. 136 Wohnungen gingen 2020 in der Bornaischen Str. 10-16 auf einer bis dahin unbebauten Fläche ans Netz, die Ladenzeile erscheint trist und verwaist, Videokameras sichern dort den betonierten Grillplatz im hinteren Bereich zur Biedermannstraße. Vermietet werden die Zimmer von der mondial campus Kapitalgesellschaft.
Weiter geht es nur ein paar hundert Meter in Richtung Innenstadt mit dem bereits seit 2017 existierenden stay too (Apartments „ab 499 Euro“), in dessen Rücken in der Kochstraße alsbald ein „K2_Studentenaparment-Haus“ fertig gebaut wird. Last but not least greift die Praxis von Investor*innen um sich Mietwohnungen nach Entmietungen in möblierte Studierendenapartments umzuwandeln und dafür saftige Preise aufzurufen (u.a. das Geschäftsmodell von United Capital, aber auch von Einzelunternehmern wie Michael Wündrich aktuell in der Stockartstraße 24 in Connewitz).
Leidtragende dieser Entwicklung gibt es viele. Zum einen die Studierenden, die oft temporär, zu horrenden Mietpreisen und mit intransparenten Nebenkostenabrechnungen für winzige Zimmer geschröpft werden. Es sind auch die Nachbarschaften, die plötzlich eine Art von gated community vor ihrer Nase haben. In diesen Apartmenthäusern gibt es oft eine breite Palette von Angeboten, von Sonnen- und Fitnessstudio oder gar Kinos, so dass der Raum von den Bewohnenden faktisch kaum verlassen werden muss, ihre Umgebung und Nachbar*innen bleiben ihnen fremd, von solidarischen, nachbarschaftlichen Beziehungen kann hier keine Rede sein (und dies ist keine Frage des Geschmacks, dies verändert Sozialräume zum Negativen). Schwerer fällt allerdings ins Gewicht, dass hier Flächen mit teuren Wohnungen vollgeknallt werden, anstatt diesen für die Bebauung mit bezahlbarem Wohnraum zu nutzen. In Leipzig fehlen wie in anderen Groß- und Unistädten bezahlbare Wohnungen für weite Teile der Bevölkerung, eben auch Studierende und Auszubildende. Die Luxus-Apartmenthäuser werden nicht für diese wachsende Zielgruppe gebaut, sondern für reiche Kids. Auswirkungen auf den Mietspiegel haben die Mikroapartments allerdings nichts, nichts desto trotz gibt es soziale Effekte, zum Beispiel wenn Menschen mit geringeren Einkommen eben nicht mehr in bestimmte Stadtteile ziehen können. Die temporäre Vermietung in den Apartmenthäusern ermächtigt die Eigentümer*innen Mieten regelmäßig zu erhöhen, von der Mietpreisbremse sind die Zimmer zumindest ausgenommen. Damit werben auch Immobilien-Portale, die Mikroapartments als profitables Anlagegeschäft anpreisen.
Auch städtebaulich gibt es Kritik an den geschlossenen Klötzen. In der Bornaischen Straße 20/22 dürfte der Fußweg zum Herderpark zukünftig nicht mehr nutzbar sein.
Was nun also tun? Es liegt vor allem an der Bundesregierung den Kommunen mehr Handhabe bei der Regulierung von Bauprojekten in die Hand zu geben, aber auch möblierte Zimmer/ Apartments den sonstigen Regeln des BGB (Mietspiegel, Mietpreisbremse..) zu unterstellen.
Aber auch die Kommune könnte bauplanungsrechtliche Instrumente stärker zu nutzen versuchen, gerade im Sinne des Klimaschutzes müssen Bebauungen in Zukunft besser abgewogen werden. Das Stichwort ist hier doppelte Innenentwicklung, was heißt die Entwicklung der Städte in ihrem Bestand nicht nur im Sinne einer baulichen Verdichtung zu betreiben, sondern den Blick zugleich auch auf die Erhaltung, Weiterentwicklung und Qualifizierung des urbanen Grüns zu richten. Die Linksfraktion hat diese Prozess im Stadtrat maßgeblich mit angestoßen. Derzeit wird in der Stadt eine Strategie zur doppelten Innenentwicklung aufgestellt. Ohne starke Instrumente, die mit Eingriffen ins Privateigentum verbunden sein müssen, wird dies jedoch nicht funktionieren. Doch genau diese Möglichkeiten braucht es, wenn der Slogan, dass Wohnen zur Daseinsvorsorge gehört und Wohnraum ein Gemeingut ist, ernst genommen wird.