Der Stadtrat folgte am Mittwoch dem Beschlussvorschlag der Linksfraktion für eine Offensive gegen den Fachkräftemangel in sozialen Berufen. Denn der Fachkräftemangel in den Kitas, stationären Hilfen zur Erziehung und sozialen Einrichtungen naht nicht nur, er ist bereits da. Meine Rede:
Gerade jetzt gewinnt der ihnen hier vorliegende Antrag an Bedeutung. Jetzt, in Zeiten der Corona-Krise, spüren viele, die ihre Kinder nun zu Hause betreuen müssen, welch überragende Bedeutung die Arbeit von Erzieherinnen und Erziehern, hat. Pflegekräfte arbeiten am Limit, und Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sind auf der Straße, in stationären Hilfen zur Erziehung oder in Asylunterkünften aufopferungsvoll am Werk. Und dies trotz mangelnder gesellschaftlicher und vor allem auch monetärer Würdigung ihrer Arbeit. Meine Fraktion sagt an dieser Stelle danke und weiß, dass Applaus nicht reicht.
Unser Antrag „Fachkräfteoffensive für soziale Berufe in Leipzig„ greift das virulente Problem des Fachkräftemangels in sozialen Berufen auf.
Konkreter Anlass unserer Initiative war, dass es offensichtlich nicht gelang dringend benötigte Kita-Plätze ans Netz zu bringen, da das Personal fehlte.
Und auch wenn wir schon seit vielen Jahren auf allen Ebenen über Fachkräftemangel sprechen: Geschehen ist in den letzten Jahren zu wenig. Der Fachkräftemangel naht nicht nur, er ist längst da. Als Stadt müssen wir sogar Personaldienstleister ins Rennen schicken um die Betreuung in den Kita zu sichern, bei den Freien Trägern ist das längst Realität.
Wir wissen auch, dass sich freie und öffentlicher Träger kannibalisieren einerseits, und dass die Professionen untereinander in Konkurrenz stehen andererseits.
Auch darum haben wir in unserem Antrag nicht nur das Problem der Erzieher*innen in den Kindertagesstätten aufgemacht, sondern das gesamte Feld der sozialen Berufe. Schauen wir zum Beispiel in den Bereich der Hilfen zur Erziehung. Durch Schicht- und Wochenendarbeit, zum Teil schlechte Bezahlung und psychische Belastung ist dieser Bereich nicht sonderlich attraktiv.
Die körperlich anstrengende Arbeit im Bereich der Heilerziehungspflege wiederum lässt Fachkräfte in andere Bereiche abwandern. Allen gemein ist zudem eine zu schlechte Bezahlung für die anspruchsvolle Arbeit, die sie leisten.
Es ist klar: Wir brauchen als Kommune einen Fachkräftebedarfsplan für soziale Berufe, ob für die Ämter der Stadt, VKKJ, SEB oder freie Träger, es geht nur gemeinsam. Das ist Punkt 1 unseres Antrages. Allein für die Kitas, die im Jahr 2020 und 2021 ans Netz gehen sollen, brauchen wir zirka 600 Erzieher*innen und dabei müssen wir einplanen, dass wir es auch mit Fluktuation, mit Schwangerschaften und auch mit Erzieherinnen, die in Rente gehen – im Jahr 2019 waren das übrigens 100 – zu tun haben. Schauen wir in den Bereich der Hilfen zur Erziehung: Hier müssen wir dringend mindestens 200 Plätze in der Stadt aufbauen. Dafür braucht es Fachkräfte!
Initiativen, wie die berufsbegleitende Ausbildung von 50 Erzieher*innen sowohl beim öffentlichen als auch bei den freien Trägern, sind wichtig und richtig. Sie müssen auf andere Bereiche der sozialen Arbeit ausgeweitet werden und es sind weitere Maßnahmen nötig. Viele davon liegen nicht in der Hand der Kommune, das ist uns bewusst. Nötig sind bspw. die Erweiterung der Ausbildungskapazitäten oder die Einführung einer Ausbildungsvergütung für Erzieher*innen, eine bessere Ausstattung der ausbildenden Träger auch durch das Land oder aber die echte Verbesserung der Rahmenbedingungen der Arbeit zb durch die Absenkung des Betreuungsschlüssels.
Darum fordern wir mit unserem Antrag, dass die Verwaltung gemeinsam mit den in den relevanten Bereichen tätigen Trägern ein Forderungspapier erarbeitet, dass nachdrücklich an das Land kommuniziert wird.
Doch auch die Kommune kann handeln. Viele der Vorschläge, die wir im Antrag machen sind einem Fachgespräch entsprungen, das meine Fraktion im Juni 2019 sowohl mit Trägervertreter*innen als auch Verwaltung durchgeführt hat. Es geht hier um die Verbesserung von Arbeitsbedingungen, um innovative Konzepte der Personalgewinnung und -bindung. Ein paar Beispiele finden sie in der 2. Neufassung des Antrages: das Jobticket auch für Freie Träger, Förderung der Gesunderhaltung und Prävention für soziale Berufsgruppen, Offensive Karriereberatung oder aber die schon erwähnte Etablierung einer Förderrichtlinie für berufsbegleitende Ausbildung im Bereich der sozialen Arbeit. Und sicher gehört auch eine bessere Eingruppierung von sozialpädagogischen Fachkräften bei unserem VKKJ dazu.
Last but not least muss es auch darum gehen die Tätigkeit im sozialen Bereich als Zukunftsoption anzupreisen. Darum schlagen wir eine Kampagne vor, die für diese Tätigkeiten wirbt.
Wir freuen uns, dass die Verwaltung viele unserer Vorschläge aufgenommen hat. Nichts desto trotz haben wir zwei Neufassungen des Antrages vorgelegt. Bei der ersten ging es uns darum, dass die Stadtverwaltung Verantwortung nicht nur delegiert, sondern selbst Initiativen ergreift. Für die zweite nun vorliegende, im Punkt 2 konkreteren Fassung kam der Impuls aus dem Jugendhilfeauschuß.
Wir wissen, dass unser Antrag keine Wunder bewirken wird. Doch er soll dabei helfen planvoller zu handeln, Ressourcen zu erkennen und zu fördern und vor allem gemeinsam zu agieren: Als öffentlicher Träger gemeinsam mit Freien Trägern und der Politik.