Gefährdeanschreiben im Kontext der Fußball-EM vor allem für Leipziger Fans: Rechtliche zweifelhafte Grundlage „Gewalttäter Sport“

Auf eine aktuelle Anfrage zu Gefährdeanschreiben, Aufenthaltsverboten und anderen polizeilichen Maßnahmen gegen Fußball-Fans im Kontext der EM erklärt das Innenministerium, dass es in Sachsen 288 „Gefährdeanschreiben“ gegeben hat. Der Schwerpunkt lag mit 223 in Leipzig und hier vor allem Fans von Lok und Chemie Leipzig.

Nach meiner Anfrage haben sich Fans aus anderen Regionen bei mir gemeldet und berichteten mir, dass sie entsprechende Gefährdeansprachen erhalten haben, die sich in der Regierungs-Antwort nicht wieder finden. Hier werde ich nachhaken.
 
Gefährdeansprachen sind polizeilich-präventive Mittel nach Polizeivollzugsdienstgesetz. Sie dienen der Einschüchterung und Gängelung von Fans. Auch der Wortlaut der verschickten Schreiben hat es in sich. „Sollten sie durch ein rechtswidriges Verhalten während der Fußball-EM in den Fokus der Ermittlungsbehörden geraten, werden Sie konsequent verfolgt“, heißt es. Es können sofort und zukünftig „präventivpolizeiliche Mittel erlassen werden“. Die Polizei des Freistaats Sachsen werde „entschlossen handeln, um das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland“ zu schützen.
 
In Leipzig haben drei Chemiefans bereits im Juni 2024 Rechtsmittel gegen die Anschreiben eingelegt, wie das Rechtshilfekollektiv mitteilte.
Das Innenministerium bestätigt in der Antwort auf meine Kleine Anfrage zudem die Grundlage der Gefährdeanschreiben: Die umstrittenen Gewalttäter-Sport-Datei. Hier werden seit vielen Jahren Menschen zusammengetragen, die in irgendeiner Art und Weise im Rahmen eines Fußballspiels »auffällig« geworden sind. Schon eine Identitätsfeststellung ohne Grund und Anlass oder subjektive polizeiliche Einschätzungen können dazu führen in die Verbunddatei eingespeist zu werden. Betroffenen wissen und erfahren in der Regel nicht, dass sie in der Datei gespeichert sind. Die von der Ampel-Regierung versprochene Reform der Datei lässt derweil auf sich warten, während Fans sich weiter mit Einschnitten in ihre Grundrechte herumschlagen müssen.

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