Wir beantragen im Landtag die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre, bei Landtags- und Kommunalwahlen sowie für die Nutzung direktdemokratischer Instrumente wie Volks-oder Bürgerbegehren. Bundesweit darf sich eine große Mehrheit der 16- und 17-Jährigen schon heute beteiligen. Die Welt ist deshalb nicht zusammengebrochen. Sachsen sollte also nachziehen. Meine Rede zur Einbringung des Gesetzesentwurfes
Bei allen politischen und weltanschaulichen Differenzen im Reigen der Fraktionen dieses Landtages können wir zusammen eines konstatieren: die Welt ist infolge der Beteiligung von 16 und 17 Jährigen an den Europawahlen im vergangenen Jahr nicht zusammengebrochen.
Die Wahlbeteiligung junger Menschen war laut Wahlanalysen nah an der anderer Altersgruppen.
Auch der Blick auf das Gros der anderen Bundesländer, auch alle anderen Ostbundesländer, zeigt, dass die Frage ob Minderjährigen die Möglichkeit geboten wird, sich an öffentlichen Wahlen aktiv zu beteiligen allein eine politische Frage.
Es ist eine Frage inwieweit wir junge Menschen als eigenständige Subjekte anerkennen und ihnen eine zentrale Mitbestimmungsmöglichkeit am demokratischen Gemeinwesen in die Hände geben statt sie mit Projektchen und Beteiligungssimulation abzuspeisen.
Mit Blick auf die Debatten in diesem Haus in der vergangenen Legislatur und mit Blick auf die bundesweite Minderheitenposition Sachsens in dieser Frage müssen wir konstatieren: In Sachsen wird vor allem von Seiten der CDU an einem Relikt des Ausschlusses festgehalten, das scheinbar in einem sehr verstaubten, paternalistischen Verständnis von jungen Menschen und deren Politikmündigkeit.
Dabei zeigen konservative Kollegen und Kolleginnen in anderen Bundesländern, das es auch anders geht.
„Junge Menschen sind politisch interessiert, sie gestalten aktiv und bringen sich in den öffentlichen Meinungsbildungsprozess ein.“ Das ist nicht etwa ein Zitat einer Linken-Politikerin oder eines Jugendbeteiligungsprojektes, sondern von Thorsten Schick, dem Fraktionsvorsitzenden der CDU im Landtag von Nordrhein-Westfalen. Dort wird derzeit auf Vorschlag von CDU, SPD, Grünen und FDP ein Gesetzesentwurf zur Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre bei den Landtagswahlen diskutiert, auch dort ist wie in Sachsen eine Verfassungsänderung nötig. Das Kommunalwahlrecht haben 16 und 17-jährige in NRW schon länger.
Mit dem von uns vorgelegten Gesetzesentwurf wollen wir uns dem Gros der anderen Bundesländer und dem Trend annähern, es geht uns um die Absenkung des Wahlalters auf 16 bei Kommunal- und Landtagswahlen. Zudem sollen ab 16-jährige zukünftig auch direktdemokratische Instrumente, wie Volks- oder Bürgerbegehren, wahrnehmen können.
Kinder und Jugendliche sind viel zu oft Objekt von Politik und selten die, die wirklich mitbestimmen können. Obwohl die Entscheidungen, die wir treffen, egal ob wirtschafts, klima-, sozial- oder gesellschaftspolitisch ganz klar heute und in Zukunft prägen werden.
Oder um es plastisch zu machen: Vor einigen Wochen waren Schülerinnen und Schüler aus dem Leipziger Schiller-Gymnasium in der Einwohner*innenfragestunde des Leipziger Stadtrates. Der Zustand ihrer Schule ist desaströs, die Räume überbelegt, der Sportplatz teilweise gesperrt. Aufgrund des allgemein hohen Sanierungsstaus in Schulen und der klammen kommunalen Kassen wurden die Arbeiten an ihrer Schule um 10 Jahre verschoben. Das empört die jungen Leute zurecht.
Es geht hierbei um die Frage ob die jungen Leute weiter hinnehmen müssen, dass an Infrastruktur, die für ihr Leben essentiell ist, weiter gespart wird oder ob sie sich bei den nächsten Wahlen aktiv dafür entscheiden können eine Partei zu wählen, die die schwarze Null infragestellt und die Kommunen finanziell stärken will.
Es geht um mehr als Beteiligungssimulation, wie es Schülerinnen des Romain-Rolland-Gymnasiums in Dresden bei der Veranstaltung zu 35 Jahren Sächsischer Landtag am Montag genau hier an dieser Stelle formulierte. Es geht um echte Beteiligung am politischen System.
In diesem Zusammenhang ist übrigens erwiesen, dass junge Menschen, die wählen könne, sich auch aktiver über politische Fragen und Positionen informieren, leider mit klarer sozialer Komponente, wie auch bei anderen Generationen: Wer eine formal gute Bildung genossen hat und besser situiert ist, beteiligt sich auch eher an Wahlen.
Fakt ist: die Absenkung des Wahlalters muss mit mehr und praxisnaher politischer Bildung einhergehen, gerade an Ober- und Berufsschulen. Genau hier würde eine große Chance der Wahlaltersenkung liegen: Gerade weil 16- und 17-jährige in der Regel noch beschult werden, könnte unser Bildungssystem das Thema ganz konkret auf die schulische Tagesordnung setzen und den ersten richtigen Wahlakt inhaltlich und diskursiv begleiten.
Kinder und Jugendliche wachsen in Deutschland in einer Art Dauerkrisenmodus auf, in dessen Zuge ihnen immer wieder gesagt wird, dass das politische Handeln alternativlos, Reichtsumsverteilung unantastbar sei, die Rente unsicher ist und sie mehr arbeiten müssen.
Dies führt zu Ohnmacht und Unzufriedenheit. Die Trendstudie „Jugend in Deutschland 2025“ ermittelte, dass junge Menschen enorm unter Druck stehen und Zukunftsängste haben: Kriege, die wirtschaftliche Lage und Inflation, zu hohe Mieten, Klimawandel und Altersarmut sind die Top-Sorgen-Themen.
Und genau bei diesen zentralen Fragen bleiben die Perspektiven junger Menschen strukturell ausgeschlossen.
Das wollen wir mit unserem Gesetz ändern. Wir schlagen ihnen damit nicht einmal vor das Wahlalter auf 14 oder das Alter für das passive Wahlrecht, also das Gewähltwerdenkönnen, abzusenken, wie es Baden-Württemberg für die Kommunalwahlen schon vor drei Jahren getan hat. Wir wollen hier einen ersten, überfälligen Schritt gehen und hoffen auf eine gute Debatte!