Es hört nicht auf. Die Nachwehen der Anschläge auf Bagger, des Hausbesuches bei einer Immobilienmitarbeiterin oder aktuell eines Brandversuches am Finanzamt sind weiter zu spüren. Alle schauen nach Connewitz. Die einen freundlich, die anderen feindlich. Unterm Strich kommt dasselbe raus: Stigmatisierung und Kriminalisierung:
Es klingt freundlich: Als „Pilotprojekt“ soll die Stadt „ein unabhängiges Quartiersmanagement mit dem Schwerpunkt Gemeinwesenarbeit für den Ortsteil Connewitz“ ausschreiben. Ziel sei „die Stärkung von Nachbarschaften und zivilgesellschaftlichen Strukturen“, schreiben Bündnis 90/ Die Grünen in einem aktuellen Stadtratsantrag.
Die noch bis zum 20. Dezember amtierende Regierung aus CDU und SPD bringt eine „Soko LinX“ in die Spur, die zum 1. Dezember ihre Arbeit aufgenommen hat. 10 Beamt*innen ergänzen die Gemeinsame Ermittlungsgruppe Linksextremismus, die ebenfalls 10 Menschen stark und auf Leipzig fokussiert war. Zwei Staatsanwält*innen arbeiten eng verknüpft mit der mit alarmistischen Tönen aus der Taufe gehobenen Sonderkommission.
Die LVZ schreibt Schmähartikel über den Stadtteil und fabuliert von alltäglicher Angst und Schrecken und Drohungen, die gegen jene ausgestoßen werden, die sich mit der furchtbaren Situation nicht abfinden wollen.
Ob freundlich oder feindlich gesinnt: Alle haben irgendwie ein Problem und meinen, dass hier etwas passieren muss.
Was aber liegt auf der Hand? Ein Stadtteil, der laut statistischen Indikatoren sogar super-vorbildlich ist, wie es Tilman Loos ein einem Blogbeitrag ausführt. Ein Stadtteil, der sich andererseits als Projektionsfläche anbietet, für die, die Angst vor emanzipatorischen Experimenten und kritischen, selbstbewussten, selbstorganisierten Menschen und Strukturen haben. Andererseits aber auch als Mythos für einige, die hier revolutionäre Zustände halluzinieren und dabei vergessen, dass solidarische Strukturen viel mit Kommunikation und Interessensabgleichen zu tun haben.
Keine der Spuren für aktuelle Anschläge und Angriffe führt realiter nach Connewitz. Außer Schlagworten in wenig inspiriert dahingerotzten Bekenner*innenschreiben und Sprüchen an der Haustür eines als Feindbild auserkorenen Menschen, gibt es keine bekannten fundierten Ermittlungsergebnisse. Und wenn es so wäre, was würde das über einen Stadtteil aussagen?
Trotzdem stürzen sich Akteure vieler politischer Spektren auf Connewitz. Ob Repression, wie sie verantwortliche Politik oder zunehmend aggressive und dünnhäutige Polizei praktizieren, oder Stadtteilmanagement von oben, wie es die Grünen vorschlagen (und was es 2013 schon mal von Polizei und Stadt ohne Beteiligung der Stadtteilgesellschaft installiert gab und das genau deswegen allerdings schnell wieder einpacken musste).
Was es braucht sind ein Baustopp für Luxusneubauten, Milieuschutz und Vergesellschaftung von privatwirtschaftlich organisierten Räumen. Es braucht die Schließung des Polizeipostens und ein Ende der Polizeikontrollen. Was es braucht sind Räume um miteinander ins Gespräch zu kommen und Zusammenleben auszuloten und zu gestalten. Was es braucht ist Solidarität miteinander, statt dies nur parolenhaft vor sich herzutragen.
Connewitz hat Potential für den Versuch eines Anderen. Potential sich gegen Verwertungszwang, Normierung und Bevormundung zu behaupten.
„Wenn es kein richtiges Leben im Falschen gibt, dann können wir uns auch in unser Gärtlein zurückziehen und Tomaten pflanzen. Dann gibt es ja keinerlei Aussicht auf Emanzipation, auf Verbesserung und Richtigstellung des Lebens.“ (Johannes Agnoli, 2000)