Die Zeitung „analyse und kritik“ hat drei Stimme aus der Linkspartei nach dem Bundesparteitag eingeholt. Hier meine two cents:
Der Erfurter Parteitag hat aus meiner Sicht keine Erneuerung, sondern vielmehr eine Konsolidierung herbeigeführt. Wir haben weiterhin große Fragen zu klären. Das Thema Sexismus in den eigenen Reihen ist noch nicht vom Tisch. Außerdem müssten wir unsere außenpolitische Position so schärfen, dass sie über die Floskeln hinausgeht, die beschlossen wurden. Es haben Genoss*innen aus Russland und der Ukraine auf dem Parteitag gesprochen. Das fand ich gut und es hat ja auch eine kleine Kurskorrektur in Bezug auf die Position zu Russland gegeben. Ich hatte mir aber vorgestellt, dass man auf dem Bundesparteitag wirklich eingehend diskutiert, ob beispielsweise unsere Position gegen Waffenlieferungen z.B. in die Ukrainenoch zeitgemäß ist. Wenn wir das Recht auf Selbstverteidigung politisch bejahen, müssen wir auch beantworten wie dies geschehen soll. Anstatt Gewissheiten zu bestätigen, hätte man eher ein Format auflegen müssen, um eine Position zu entwickeln, die auch praxisfähig ist. Mit dem Beschluss vom Bundesparteitag komme ich nicht weiter.
Ich hätte mir gewünscht, dass man die Organisierung eines Diskussionsprozesses unter Einschluss von politischen Partner*innen aus den betroffenen Staaten anstrebt. Zudem hätte mehr Diskussion in der Partei zugelassen werden müssen. Beim Parteitag wurde durch den Parteivorstand und auch durch die Beschlüsse der Partei versucht den Rahmen zu wahren, doch schon ab Sonntag haben Klaus Ernst, Sahra Wagenknecht und auch Sören Pellmann die Beschlüsse von rechts in Frage gestellt und die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland gefordert. Das geht natürlich nicht. Da ist ein Angriff gestartet worden, der auch deshalb so schädlich ist, weil er so wortgewaltig daherkommt und in der Öffentlichkeit sehr stark rezipiert wird.
Die Gretchenfrage für die Partei wird nun sein, wie wir es mit den Sanktionen gegen Russland halten. Wir müssen als Linke zwar sehen, dass diese Sanktionen natürlich in ihrer Wirkung zeitlich nicht sofort funktionieren und in Bezug auf das Öl-Embargo vielleicht gar nicht funktionieren – trotzdem müssen wir politisch klar für die konsequente Umsetzung der Sanktionen und für ein Ende des Krieges einstehen. Diese Position muss mit einem Schutzschirm für bezahlbare Energie und gegen die Preisexplosion zusammengedacht werden. Ich glaube, das ist jetzt auch eine Chance, die Grünen zu treiben und zum Beispiel einen guten Maßnahmenplan aufzulegen, wie denn eine Umstellung der Energieversorgung in den nächsten zehn Jahren laufen kann. Als Partei können wir diese Krise auch als Chance ansehen, um von fossiler Energiegewinnung wegzukommen. Entscheidend wird sein, dass wir die Frage nach der Position zum russischen Krieg und die Sanktionen nicht gegen den Schutz der Menschen vor der Preisexplosion ausspielen.
In Leipzig haben wir bereits ein Bündnistreffen mit Wohlfahrtsverbänden, Mietervereinen und außerparlamentarischen Bewegungen anberaumt und wollen so versuchen linke Antworten auf die Krise zu formulieren – aber im Bündnis und nicht allein als Partei. Und so etwas wünsche ich mir natürlich bundesweit. Darüber halte ich es für eine wichtige Option der LINKEN auch kluge Bündnis-Konstellationen mit Verantwortungsübernahme in Regierungen anzustreben und dabei explizit Positionen aus linken Bewegungen mit im Gepäck zu haben . Das Los der Opposition gute Vorschläge in den Parlamenten kaum durchbringen zu können führt auch dazu, dass der Nutzwert einer Partei auf die Dauer dahinschwindet.