Am 18. Januar 2020 fand in Leipzig-Connewitz eine Demonstration für sozialen Wohnungsbau statt. In Redebeiträgen wurden Entmietungspraktiken und unbezahlbare Mieten insbesondere in den Neubauten im Stadtteil kritisiert. An der Demonstration nahm neben zahlreichen Anwohnerinnen und Anwohnern allen Alters auch die Parteivorsitzende der LINKEN Katja Kipping teil.
Aufmerksame Teilnehmerinnen und Teilnehmer bemerkten, dass im Kamerawagen der Polizei vor der Demo Listen mit Fotos von Personen samt Anmerkungen lagen, die offenbar von der Polizei mit den an der Demo teilnehmenden Menschen abgeglichen wurden. Diese Praxis bestätigt die Staatsregierung auf meine Nachfrage (Drucksache 7/1411).
Demnach führte die Polizei drei Fahndungshilfen mit, also Bögen mit Fotos von Personen. Ziel war es, Demonstrierende mit Tatverdächtigen der Auseinandersetzung in der Silvesternacht abzugleichen. Da die Versammlung dann doch nicht videoüberwacht wurde, kamen die Bögen nicht zum Einsatz.
„Obwohl laut Staatsregierung das Fahnden nach Personen innerhalb von Versammlungen zulässig und üblich ist, bleibt ein bitterer Beigeschmack. Menschen, die für ein Anliegen demonstrieren – etwa für bezahlbare Mieten –, werden von der Polizei mit mutmaßlichen Straftäterinnen und Straftätern abgeglichen. Wer im zeitlichen und örtlichen Umfeld einer Straftat das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit wahrnehmen will, macht sich also verdächtig. Das ist mindestens grenzwertig und kann Menschen von der Teilnahme an einer Versammlung abschrecken.
Videoüberwachung ist nach dem Sächsischen Versammlungsgesetz (§ 20) überhaupt nur zulässig, wenn Straftaten absehbar sind und wenn sie als Übersichtsaufnahmen getätigt werden. In letzterem Fall verbietet sich allerdings die Identifizierung von Teilnehmenden.
Wenn solche Ermittlungsmaßnahmen im Rahmen der freien Gestaltung des Ermittlungsverfahrens zulässig sind, heißt das nicht, dass die Polizei sie nutzen muss. Ich fordere die Leipziger Polizei auf, sensibler mit dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit und zivilgesellschaftlichem Engagement umzugehen und die Vorverurteilung sozialer Proteste zu unterlassen.“
Foto: Marco bras dos Santos