Zwei Jahre nach dem „Tag X“ in Leipzig: Kessel war nicht verhältnismäßig, die Versammlungsfreiheit wurde mit Füßen getreten

Zwei Jahre nach dem sogenannten „Tag X“ in Leipzig ist ein Großteil der Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs des schweren Landfriedensbruchs eingestellt. Das ist die Antwort auf eine Kleine Anfrage (Drucksache 8/593). Die Polizei hatte am 3. Juni 2023 nach der Auflösung einer angemeldeten antifaschistischen Versammlung in der Südvorstadt und einer gewaltsamen Eskalation durch wenige Personen insgesamt 1.324 Menschen bis zu elf Stunden lang in einem umstrittenen „Kessel“ festgehalten, dabei mangelhaft versorgt und anschließend mit Verfahren überzogen. Mein Statement:

„Der pauschale Vorwurf, sich an Ausschreitungen beteiligt zu haben, hat sich in den meisten Fällen in Luft aufgelöst: Laut der Zahlen des Innenministeriums wurden bislang 861 und damit fast zwei Drittel aller Verfahren eingestellt – meist, weil „Tatbestand, Rechtswidrigkeit oder Schuld nicht nachweisbar“ waren. Weitere 445 Verfahren werden noch von der Polizei bearbeitet oder liegen der Staatsanwaltschaft zur Entscheidung vor. Ich gehe davon aus, dass es zu reihenweise Einstellungen kommen wird.

Juristisch gesehen ist die Bilanz der Leipziger Staatsanwaltschaft und der eigens eingerichteten „Ermittlungsgruppe LEX“ der Polizeidirektion äußerst dürftig. In lediglich 19 Fällen – weniger als anderthalb Prozent aller Verfahren – reichte es zu einer Anklage. Das bestätigt meine Auffassung und die Wahrnehmung etlicher Menschen und Medien vor Ort, dass die Polizei recht wahllos und mit unverhältnismäßiger Härte gegen eine große Zahl unbeteiligter Personen vorgegangen ist – darunter Minderjährige und Kinder.

Zudem stellte das Vorgehen einen schwerwiegenden Eingriff in die Versammlungsfreiheit dar. Anlass der Proteste war das Urteil im ersten „Antifa Ost“-Prozess. Mehrere Demonstrationen waren schon im Vorfeld verboten worden – wegen anonymer Aufrufe im Internet zur Gewalt. Eine Große Anfrage der Linksfraktion (Drucksache 7/14904) hatte ergeben, dass es weder eine befürchtete europaweite Mobilisierung, noch ein schlüssiges Einsatzkonzept der Polizei gab. Mehrfach musste diese ihre Zahlenangaben korrigieren. Ihre Berichte über im Kessel gefundene Teleskopschlagstöcke erwiesen sich als falsch.

Allerdings: Recherchen der Plattform „FragDenStaat“ zufolge wurden Hunderte der Eingekesselten in Verfassungsschutz-Datenbanken für mindestens fünf Jahre als „Linksextremisten“ gespeichert. Angesichts der massenhaften Verfahrenseinstellungen gibt es für diese Kriminalisierung nicht den geringsten Grund. Ich erwarte daher die unverzügliche Löschung der Daten.“

PM 02. Juni 2025

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