Im Jahr 2024 wurden in Sachsen 181 Fälle von Hasskriminalität aufgrund der sexuellen Orientierung oder der geschlechtlichen Identität der Opfer registriert. Das ergab meine Kleine Anfrage (Drucksache 8/2239). Den Daten liegt eine Detailauswertung des Landeskriminalamts zugrunde. Mein Kommentar:
„Der Vergleich mit früheren Linke-Anfragen zeigt, dass es sich um einen neuen Höchstwert handelt – und zwar mit deutlichem Abstand. So waren 2023 insgesamt 102 solcher Taten bekannt geworden, 2022 waren es 92. Die Zunahme ist steil, vor 2020 hatten sich die jährlichen Fallzahlen meist noch im einstelligen Bereich bewegt. Auch der jüngst veröffentlichte ,Periodische Sicherheitsbericht‘ von Innen- und Justizministerium hatte auf einen auffälligen Anstieg der Verfahrenszahlen hingewiesen.
Die Fallauflistung zeigt, dass es sich überwiegend um frauenfeindliche sowie homo- und queerfeindliche Taten handelt. Darunter häufig: Beleidigungen, Bedrohungen und Volksverhetzungen, aber auch fünf Körperverletzungen. Fast drei Viertel aller Fälle wurden als rechtsmotiviert eingestuft. Ein Blick auf die Tatzeiten lässt zudem einen deutlichen Zusammenhang mit den zuletzt massiven Neonazi-Aktivitäten gegen queere Versammlungen erkennen: Gehäuft in die Statistik aufgenommen wurden Straftaten, die sich gegen die Christopher Street Days (CSDs) etwa in Bautzen (elf Fälle), Leipzig (zehn Fälle), Zwickau und Görlitz (je vier Fälle) sowie Freiberg und Döbeln (je drei Fälle) richteten.
Was aus meiner Sicht zum Problem beitrug: Trotz offener Gegenmobilisierung und Störaufrufen hatte die Polizei häufig einen ,grundsätzlich friedlichen Verlauf‘ prognostiziert und damit die Gefahr unterschätzt. Ich gehe fest davon aus, dass sich dieser Fehler nicht wiederholt und die Teilnehmenden von sächsischen CSDs geschützt werden. Nach meiner Übersicht hatte es im vergangenen Jahr sachsenweit 23 CSDs mit mehr als 38.000 Teilnehmenden gegeben, so viele wie nie zuvor. Doch die meisten dieser Veranstaltungen wurden zum Ziel von Störaktionen. Organisierten queer- und homofeindlichen Gegenprotesten schlossen sich rund 2.600 Personen an, die teils überregional angereist waren, hochaggressiv vorgingen und kaum in Zaum gehalten wurden.
Ebenfalls ein Problem: Der steigenden Bedrohung steht bislang keine konsequente Strafverfolgung gegenüber. Bei zwei Dritteln aller 2024 verzeichneten Fälle wurden die Verfahren bereits folgenlos eingestellt. Auch bei Angriffen auf CSDs gingen die Ermittlungen wohl des Öfteren ins Leere. Beispiel Bautzen am 10. August: Fälle von Schlägen, Tritten und Würfen gegen Teilnehmende sowie das Entreißen von Regenbogenfahnen führten zwar zu Ermittlungen, doch die wurden noch vor Jahresende eingestellt. Grund: Die Täter entkamen unerkannt (Drucksachen 8/569, 8/887). Hier ist mehr Verfolgungsdruck nötig.
Vor diesem Hintergrund ist es fatal, dass die Staatsregierung laut ihres Haushaltsentwurfs massiv die Gleichstellungsarbeit und bei jenen Maßnahmen kürzen will, die den Landesaktionsplan zur Akzeptanz der Vielfalt von Lebensentwürfen ausmachen. Es wäre stattdessen mehr Geld nötig, um die Betroffenen besser zu schützen und ihnen zu zeigen: Wir haben das Problem erkannt! Nicht nur die Sicherheit bei konkreten Anlässen muss verbessert werden, sondern die Arbeit im Bereich Antidiskriminierung und Gleichstellung.“
PM 05. Mai 2025