Die Zahl der Ersatzfreiheitsstrafen ist 2022 in Sachsen stark gestiegen: 2021 wurden 2.180 dieser Strafen vollstreckt, im Folgejahr waren es 3.273 und damit 33 Prozent mehr (Drucksache 7/12809). Die Ersatzfreiheitsstrafen für das Fahren ohne gültigen Fahrausweis kosteten den Staat im vergangenen Jahr 2,6 Millionen Euro, alle Ersatzfreiheitsstrafen verschlangen 19,2 Millionen Euro (Drucksache 7/13271). Mein Statement:
„Es hat nicht nur die Justizvollzugsanstalten entlastet, dass Ersatzfreiheitsstrafen in der Pandemie nicht vollstreckt wurden. Das bewahrte viele Menschen, die Geldstrafen nicht begleichen konnten, zunächst vor dem Gefängnis. Da es aber keine Amnestie gab, wie es in Berlin bei einigen Fallkonstellationen der Fall war, werden diese Strafen nun vollstreckt und es gibt wieder wesentlich mehr Ersatzfreiheitsstrafen. Das trifft vor allem ökonomisch benachteiligte, einkommens- und vermögensarme Menschen. Armut wird faktisch mit Freiheitsentzug bestraft – dem härtesten Eingriff in die grundgesetzlich garantierte persönliche Freiheit. Auch juristisch ist das Mittel umstritten, denn eine Geldstrafe verwandelt sich hierbei automatisch in eine Haftstrafe, ohne dass ein Gericht erneut darüber entscheidet.
Ein zivilisiertes Gemeinwesen darf sich nicht darauf beschränken, Fehlverhalten zu bestrafen. Vielmehr müssen wir im eigenen Interesse darauf hinwirken, dass die Betroffenen künftig gesetzestreu leben. Eine Haftstrafe ändert nichts an der Armut der Betroffenen, sie verschärft sogar persönliche Krisen und verschlechtert die Sozialprognose. Wird stattdessen gemeinnützige Arbeit geleistet, ergeben sich kriminalpädagogische Ansatzpunkte. Wenn Betroffene Lebenskrisen wie Suchtprobleme oder Verschuldung überwinden können, werden sie mit höherer Wahrscheinlichkeit rechtstreu leben als nach der Sinnlos-Sanktion Ersatzfreiheitsstrafe. Das nützt auch der Gesellschaft.
Die im Bund diskutierte Novelle sieht vor, dass für zwei Tage Geldstrafe nur noch ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, die Haftstrafe also halbiert wird. Wir wollen keine halben Sachen: Die Ersatzfreiheitsstrafe muss weg. Gleichzeitig müssen Sozialdienste und soziale Träger, die Straffällige begleiten, gestärkt und Bagatelldelikte wie das Fahrens ohne gültigen Fahrausweis entkriminalisiert werden. Nicht zuletzt fordern wir eine sozial gerechte Politik, die Armut und Wohnungslosigkeit verhindert. Niemand soll in eine Spirale von Schulden, Sucht und Straffälligkeit geraten.“
PM 13. Juni 2023