Die drei Parlamentarier:innen der LINKEN, Cornelia Ernst, MdEP, Clara Bünger, MdB (auf Grund von Coronaerkrankung von ihrem Büro vertreten) und Juliane Nagel, MdL, die diese Woche auf Asyl-Tour waren, haben diese heute beendet. Nun ziehen sie ihr Fazit. Zahlreiche Erkenntnisse über Problemlagen und Lösungsstrategien konnten gezogen werden. Zu folgenden, thematischen Schwerpunkten beschäftigten sich die Abgeordneten intensiv. Hier unser Resümee:
Endlich langfristig denken und Unterbringungs-Standards sichern!
„Anhand der Aufnahmeeinrichtungen Mockau II und III konnten wir deutlich sehen, dass die derzeitigen Aufnahmebedingungen geflüchteter Menschen prekär sind. Die Leichtbauhallen schützen kaum, wir können froh über den bisher so milden Herbst sein.“ Cornelia Ernst zeigt sich zudem erschüttert, dass die EU-Aufnahmerichtlinie, die die besondere Schutzbedürftigkeit geflüchteter Menschen definiert, mit so wenig Mühe von staatlicher Seite implementiert wird.Da braucht es dann vielerorts das Engagement Haupt- und Ehrenamtlicher aus der Zivilgesellschaft, um besonders vulnerable Gruppen zu schützen. Besonders beeindruckt hat uns dabei die Arbeit des Psychosozialen Zentrums des Mosaik e.V., das mit großem Enagement Geflüchtete berät und behandelt, an qualitativen Standards zur Erkennung und Versorgung von Schutzbedürftigen und an der interkulturellen Öffnung des Versorgungssystems arbeitet. Diese Arbeit muss häufig gegen staatlichen Unwillen und undurchsichtige Bürokratie ankommen, das ist nicht akzeptabel.“
„In dem als Gemeinschaftsunterkunft dienenden Containerdorf Pfaffenhain im Erzgebirgskreis sind die Zustände noch dramatischer. Da werden Menschen auf Kosten ihrer Psyche und Zukunft zwischengeparkt und Monate bis jahrelang „Verwahrt“, völlig abgeschnitten von der Außenwelt. Pfaffenhain muss geschlossen werden! Mehr aber noch sagen wir, dass wir für eine langfristige und menschenwürdige Strategie bei der Aufnahme und Unterbringung Geflüchteter stehen. Zelte und Container muss nicht aufstellen, wer auf lange Sicht vorbereitet ist. Auf unserer Tour ist deutlich geworden, dass Sachsen keine nachhaltige Strategie hat und scheinbar auch keine geplant ist. Ein Paradigmenwechsel ist überfällig.“
Sachsen bleibt sich treu – Abschiebung geht vor Bleiberecht
Juliane Nagel äußert: „Wir müssen beobachten, dass Sachsen derzeit erneut seine Anstrengungen intensiviert, Abschiebungen durchzuführen. Die Abschiebehaftanstalt in Dresden war am Montag mit 18 inhaftierten Menschen so voll wie lange nicht. Es werden derzeit Menschen abgeschoben, die langjährig geduldet in Sachsen leben und alsbald unter die neuen Regelungen des Chancenaufenthalts fallen.
Die Beratung der Abschiebehaftkontaktgruppe kann dabei bisher immer noch keine regelmäßige Sprechstunde im Knast anbeiten, was nunmehr seit vier Jahren gefordert wird. Und auch wenn wir sagen, dass Abschiebehaft abgeschafft gehört, so bin ich mir doch nicht zu schade zu sagen, dass das Öffnen von Fenstern in den Zellen und die freie Verfügung über die eigene Zeit möglich sein muss. Ein möglicherweise banal klingendes Beispiel, aber eines von vielen, wo die Bedingungen im Vollzug unnötig repressiv sind, mit stark belastenden Einschränkungen im Alltag einhergehen und dem Grundsatz normales Leben minus Freiheit widersprechen.
Am selben Tag wird ein Pakistaner in Delitzsch von der Ausländerbehörde abgeholt, bis Mittwoch eingesperrt um dann am Abend in das von der Flut gekennzeichnete abgeschoben zu werden, von weiteren Fällen wurde uns während der Tour berichtet. Erst kurz zuvor hatte die Staatsregierung einen Antrag auf Abschiebestopp nach Pakistan abgelehnt. Klar ist: Wir sehen derzeit keine Verbesserung der Situation vollziehbar Ausreisepflichtiger. Sachsen schafft mit dem Nein zum von NGOs und uns geforderten, aber vorenthaltenen Vorgriff auf das Chancen-Aufenthaltsrecht noch in den letzten Wochen Fakten und schiebt Leute in die Existenzlosigkeit ab.“
Halbherzigkeit der Bundesregierung – am Ende stehen wieder Barrieren
Dabei ist es nicht Sachsen allein, dass im Vorfeld die Chancen auf einen Aufenthalt vorenthält. Ganz grundsätzliche Kritik gibt es auch am konkreten Gesetzesentwurf der Bundesregierung. Dass der Chancen-Aufenthalt nur für ein Jahr gelten soll, in dieser Zeit aber umfassende Prozesse wie Spracherwerb und Identitätsklärung erfolgen sollen, ist eine anspruchsvolle, für viele nicht machbare Herausforderung, meint Clara Anne Bünger, MdB. „Oftmals erhalten die Menschen mit der Aufenthaltserlaubnis überhaupt erst einmal die Möglichkeit, grundlegende Belange ihres Alltags klären zu können. Ein Jahr ist nicht genug und schließt all diejenigen aus, die soeben nichts „leisten“ können. Ich denke hier vor allem an die, die an psychischen Erkrankungen und Traumata leiden.“ so Bünger und fügt hinzu: „Es muss eine umfassende und wohlwollende Bleiberechtslösung. Dazu gehört auch, von einem Stichtag abzusehen.“
Bezüglich der Aufnahme afghanischer Ortskräfte und weiterer gefährdeter Personen meint Bünger: „Wir beobachten eine verzögerte Aufnahme von Menschen, die für die Bundeswehr oder andere Institutionen in Afghanistan gearbeitet haben. Gleiches gilt für die Aufnahme von gefährdeten Personen. Ganze 1.000 Menschen monatlich will die Bundesregierung seit Oktober von dieser Personengruppe aufnehmen, davon ist bisher nichts zu sehen. Mehr noch, die Menschen sollen sich zudem in Afghanistan aufhalten, um überhaupt berücksichtigt zu werden und müssen eine komplizierte Vorprüfung durchlaufen.“ Bünger fragt, was mit all jenen ist, die bereits das Glück haben, vor den Taliban geflohen zu sein, nun aber in Nachbarländern wie Pakistan oder dem Iran ausharren müssen.
Fazit
Nagel schließt: „Wir haben von vielen kleinen Stellschrauben im Asyl-, Aufenthaltsrecht und vielen weiteren Rechtsnormen gehört, die gedreht werden müssen, haben hochprofessionelle Teams verschiedener NGOs kennengelernt, kämpferische Aktive und Engagierte, die in ihrer Freizeit für Menschenwürde streiten und Bewohner:innen, die trotz allem mit viel Kraft und Zuversicht in die Zukunft schauen. Mit dieser Zuversicht wollen auch wir weitermachen, nun an den kleinen Stellschrauben in unseren jeweiligen Parlamenten drehen, immer mit dem Blick darauf, dass wir am Ende das gesamte System des Asyl- und Aufenthaltsrecht umdrehen wollen und den § 24 Aufenthaltsgesetz, der heute den Ukrainer:innen Schutz verspricht, an erste Stelle setzen und für alle Schutzsuchenden anwenden.
Ernst fügt hinzu
„In Sachsen, sowie in ganz Europa sehen wir, dass es Schutzsuchende erster und zweiter Klasse gibt. Diese tief rassistische Praxis muss beendet werden und der Schutz der Ukrainer:innen gewährt wird auf alle Schutzsuchenden ausgeweitet werden, ob aus der Ukraine, Afghanistan oder dem Irak. Schluss mit der Schaufensterpolitik!“
Dresden, 20. November 2022