Dieser Tage erklärte die stellvertretende Kreisvorsitzende der Linken in Mittelsachsen, Marika Tändler-Walenta, dass im aktuellen Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) die Busblockade von Clausnitz praktisch komplett fehlt. Dies ist jedoch kein Einzelfall. Mein Statement:
In Clausnitz blockierten im Februar 2016 mehrere Dutzend Asylfeinde einen Bus mit Geflüchteten, die in Clausnitz eine Unterkunft beziehen sollten. Während der Vorfall bundesweit durch die Medien ging, findet sich im Bericht des LfV Clausnitz nur unter „Linksextremismus“, weil Tage nach der Blockade linke Menschen ihre Solidarität mit den geflüchteten Menschen zeigen wollten.
Genauso solche Fehlschlüsse und Fehlstellen zeigte auch der vorherige Bericht des LfV.
In Connewitz demonstrierten im August 2015 mehrere hundert Menschen gegen die Verlegung von Geflüchteten aus einer Turnhalle der HTWK in Leipzig-Connewitz. Nach langen Gesprächen unter anderem mit dem Polizeipräsidenten der Stadt Leipzig, Bernd Merbitz, und der Integrationsministerin Petra Köpping, konnte so verhindert werden, dass die schutzsuchenden Menschen gegen ihren Willen nach Heidenau verlegt werden. Kurz vorher hatte dort ein Nazi-Mob die Ankunft von Bussen mit Geflüchteten gewaltsam gestört und ein Szenario der Angst aufgebaut. Über mehrere Tage zeigten sich zahlreiche Connewitzer*innen solidarisch mit den Geflüchteten in der HTWK-Halle, es gab Essen, gemeinsame Aktivitäten und eine lautstarke Demonstration gegen Rassismus. Für den Verfassungsschutz ein klarer Fall von Linksextremismus! Weil sich unter die Demonstrierenden laut VS auch „Linksextremisten“ gemischt hätten, wurde dieser Vorfall ebenda unter dieser Rubrik einsortiert.
Kurz danach, Anfang Oktober 2015, blockierten knapp 100 Personen Feuerwehr und THW, die in Dresden-Übigau eine Turnhalle als Erstaufnahme-Einrichtung herrichten wollten. „Besorgte“ Bürger hatten zur Blockade aufgerufen und versperrten unter anderem mit eigenen KFZ, ähnlich wie in Clausnitz, die Zufahrt für die Rettungskräfte. Die Blockade der Turnhalle währte 22 Tage. Unter den 100 Personen: Neonazis der des Terrorverdachts bezichtigten „Gruppe Freital“ und der Freien Kameradschaft Dresden. Personen beider Strukturen sitzen mittlerweile in U-Haft und werden u.a. wegen eines Anschlags auf ein alternatives Wohnprojekt in Dresden-Übigau angeklagt. Und im „Verfassungsschutzbericht“? Ist die einzige Erwähnung Übigaus ein Facebook-Kommentar der „Jungen Nationaldemokraten“, die sich über die erfolgte Blockade virtuell freuten.
Am 11.1.2016 zogen mehr als 200 Neonazis durch Leipzig-Connewitz und hinterließen in der Wolfgang-Heinze-Straße eine Schneise der Verwüstung. Ein offenbar geplanter und bandenmäßig durchgezogener Angriff auf einen linksalternativ geprägten Stadtteil, der sich parallel zum Kategorie-C Konzert beim LEGIDA-Aufmarsch in der Innenstadt Bahn brach. Der Verfassungsschutz beschreibt den konzertierten Nazi-Angriff in Connewitz in seinem 2016-er Bericht so: „Ca. 250 Personen […] führten eine Versammlung (sic!) im Leipziger Stadtteil Connewitz durch. Dabei kam es zu Sachbeschädigungen.“ Davor leitet die Behörde noch ein: „[…] in Leipzig, wo es zu Konfrontationen zwischen rechts- und linksextremistischen Personen kam.“
Die Beispiele beweisen einmal mehr, dass das Landesamt für Verfassungsschutz auf dem rechten Auge blind ist. Den schwersten Angriff im Stadtteil Connewitz auf diese Art und Weise zu verharmlosen, ist nicht nur peinlich, sondern zeigt die politischen Präferenzen des Landesgeheimdienstes nur zu gut. Auch die Verharmlosung der Blockade einer Unterkunft für schutzsuchende Menschen in Dresden, von der sich eine mutmaßlich rechtsterroristische Gruppierung inspirieren ließ, Gewalt gegen politische Gegner*innen auszuüben, reiht sich in diese Sehstörung ein. Dass auf der anderen Seite immer wieder linke, solidarische Aktionen als „extremistisch“ gebrandmarkt werden, ist nichts Neues, schockiert aber jedes Mal wieder.
Die Forderung kann allerdings nicht sein, dass der „Verfassungsschutz“ sein rechtes Auge schärft. Die Fokussierung gegen links ist dem Geheimdienst seit seiner Gründung eingeschrieben. Die Forderung kann nur sein, den „Verfassungsschutz“ abzuschaffen und Platz zu machen für eine unideologische, kompetente und unabhängige Aufarbeitung demokratiefeindlicher Erscheinungen.
PM 24. Mai 2017