In meiner Rede zu überplanmäßigen Aufwendungen für die Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten spreche ich die allgemeinen Probleme im Bereich der Hilfen zur Erziehung in Leipzig an
Mit der hier zur Debatte stehenden Vorlage reden wir erneut über Mehrausgaben im Bereich Hilfen zur Erziehung, konkret im Bereich der unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten, der dadurch Zustande kommt, dass der Aufwuchs bei der Planung des Doppelhaushaltes 2015/16 nicht absehbar. Wir reden über eine Pflichtaufgabe, deren Erfüllung uns vom Freistaat zu 100 % refinanziert wird – daran gibt es nichts zu deuteln und soll nicht mein Thema sein.
Trotzdem will ich die Gelegenheit nutzen ein paar Anmerkungen zum Thema zu machen.
Wir sprechen nicht erst seit heute darüber: wir haben einen kontinuierlichen Anstieg der Hilfen zur Erziehung zu verzeichnen, das ist der bundesweite Trend, der verschiedene Ursachen hat. Dazu kommt die noch recht neue Aufgabe anteilig unbegleitete Minderjährige Geflüchtete in Leipzig aufzunehmen, in vielfacher – 20-facher – Zahl als in den Vorjahren.
Der Druck im Bereich der Hilfen ist also riesig, aber man bekommt das Gefühl, dass die Leipziger Verwaltung nicht aus dem Knick kommt. Zu welchen Folgen das führen kann, zeigt unsere Anfrage „Ist der Kinderschutz noch gewährleistet?“ – es fehlen dringend notwendige Inobhutnahmeplätze und stationäre und teilstationäre Betreuungsplätze. In einem Brief von 32 Trägern, die sich in der IG HzE zusammengeschlossen haben, an die Fraktionen wird von hunderten Kindern gesprochen, die außerhalb von Leipzig untergebracht werden müssen – was nicht teurer, aber fachlich ungünstiger ist – und 200 Plätzen, die aktuell in Leipzig fehlen – für alle Kinder und Jugendlichen, die staatlicher Unterstützung bedürfen. Grund dafür ist auch das überaus bürokratische Verfahren, das gewillte Träger bei der Realisierung von dringend notwendigen Plätzen behindert.
Zudem kommt mit der Absenkung der Fachstandards durch einen Erlass des sächsischen Sozialministeriums zur Ausgestaltung des Betriebserlaubnisverfahrens und eine veränderte Entscheidungspraxis des Leipziger Jugendamtes ein enormer Druck auf die in diesem Bereich aktiven Träger zu. Anstatt Angebote bedarfsgerecht und auskömmlich auszustatten, werden von den Ämtern nur noch Mindeststandards gewährt, d.h. vor allem weniger Personal als für die verantwortungsvolle Aufgabe nötig wären.
Ich appelliere hier eindringlich an die Leipziger Verwaltung Druck auf das Land auszuüben und auch auf städtischer Ebene dafür zu sorgen, dass qualifizierte Angebote an den Start kommen – Kinderschutz darf nicht an der Kassenlage scheitern!
Auch der Bereich, in dem es in der Vorlage geht ist betroffen. Die Übergänge von den Inobhutnahmen-Einrichtungen in Anschluss-Betreuungen ziehen sich hin. Mit rund 400 zu betreuenden UmF rechnet die Stadt Leipzig im laufenden Jahr. 100 Plätze stehen in interimistischen Inobhutnahmen-Einrichtungen zur Verfügung, der Übergang in Anschlussangebote zieht sich hin. Die Einrichtung des von meiner Fraktion beantragten Clearinghauses wird erst nach Sanierung des OFT Mühlholz im kommenden Jahr vollzogen sein. Und schließlich und vor allem steht das uns bereits im Dezember 2015 versprochene „Unterbringungskonzept für unbegleitete minderjährige Ausländer in Leipzig“ noch immer aus. Dieses Konzept ist dringend nötig, denn wir wollen nicht nur regelmäßig Gelder für die Unterbringung abnicken, sondern uns auch gemeinsam Gedanken um das Gesamt-Paket – Sprache, Bildung, Ausbildung, Gesundheit, Mobilität und Perspektiven für Geflüchtete, die volljährig werden – machen.
Erst vorgestern hat das UN Kinderhilfswerk die Situation von geflüchteten Kindern und Jugendlichen in Deutschland kritisiert. Sowohl die Asylrechtsverschärfungen als auch das komplizierte System der Zuständigkeiten zwischen Bund, Ländern und Kommunen ohne ausreichende bundeseinheitliche Qualitätsstandards führe zur systematischen Verletzung von Kinderrechten. Gleichzeitig hat auf Bundesebene die Diskussion begonnen, Standards für die unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten abzusenken.
Wir stimmen dieser Vorlage selbstverständlich zu, wir fordern aber an dieser Stelle – und die nicht zum ersten Mal ein – dass wir endlich in eine inhaltlich-konzeptionelle Diskussion zur Betreuung der minderjährigen Geflüchteten einbezogen werden, dass die offensichtlichen Problemlagen im Bereich HzE gelöst werden und dass bedarfsgerechte Angebote nicht an Kostenerwägungen scheitern.
Rede zur Vorlage Überplanmäßige Aufwendungen entspr. § 79 (1) SächsGemO für das Jahr 2016 für den Leistungsbereich Hilfen zur Erziehung für unbegleitete minderjährige Ausländer (Budgeteinheit 51_364_2ZW)
was man bei umF und auch sonstigen betreuten Kindern darf man nicht vergessen: eines Tages sind sie plötzlich 18 und laut Gesetzgeber volljährig und mündig. Die Übergangsphase, die Kinder mit Eltern normalerweise jahrelang (!) durchleben beschränkt sich hier auf einen Tag. Davor steht das Kindeswohl an erster Stelle, danach ein mündiger Mensch?!
Wieso gibt es im Strafrecht die Übergangsphase von drei Jahren, in denen Menschen nicht nach ihrem Alter sondern auch nach ihrer Mündigkeit bewertet wissen, im sonstigen Leben jedoch nicht? Ein umfassendes Hilfsangebot in dieser Phase wäre dringend nötig!!
Und zwar sowohl für umF/umA als auch für andere Jugendliche!