Am Mittwoch, 23. März wurde im Stadtrat der Antrag der CDU „Bau einer Schule auf dem städtischen Grundstück Fockestraße 80″ diskutiert und: abgelehnt. Das Ansinnen der CDU war durchschaubar und richtete sich gegen den fast 17 Jahre dort angesiedelten Wagenplatz. Meine Rede zum Thema:
Ihr Engagement für Schulen in allen Ehren, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU, lässt sich schwerlich glauben, dass es ihnen in dieser Sache tatsächlich darum geht, sondern, dass sie vielmehr ein Problem mit alternativen Wohnformen haben. Wie käme man sonst auf die Idee auf Teufel komm raus und wider besserem Wissen einen Schulstandort dort etablieren zu wollen, wo Menschen leben. Seit fast 17 Jahren wohnen auf dem Grundstück Fockestraße 80 Menschen in Wagen, derzeit sind es an die 50, darunter auch Kinder. Vor weit über einem Jahr zeigten diese an, dass Grundstück kaufen zu wollen, um für ihre Wohnform eine Perspektive zu haben. Das hat Sie, KollegInnen von der CDU, scheinbar aufgeschreckt. Und wollten sie im Sommer letzten Jahres noch SeniorInnenwohnen gegen Wagenplätze ausspielen, soll es diesmal eine Schule sein.
Ja, Platz für Kindertagesstätten, Schulen oder die Unterbringung von Geflüchteten brauchen wir dringend. Es stellt sich aber die Frage: Warum soll es gerade dieses Grundstück sein? Da stellt sich schon die Frage wo denn ihre laute Stimme war, als es um die Standorte Jahrtausendfeld oder den Bayerischen Bahnhof ging, bei denen die Stadt eben nicht das Vorkaufsrecht ausgeübt hat, oder beim Stadtbad, das zum Verkauf steht? Überall dort ging und geht es um die Nutzbarkeit für soziale Infrastruktur.
Nun kann man einwenden, dass es ja nicht verwerflich ist ein Grundstück auf seine Nutzbarkeit als Schulstandort hin prüfen zu lassen. Dass die recht klaren Aussagen der Stadt – dass wir es mit einem Überschwemmungsgebiet zu tun haben, dass die Verkehrsanbindung schlecht ist, dass das Areal zb für ein Gymnasium einfach zu klein ist und dass es ja andere konkrete Standorte im Süden gibt – nicht dazu führen, dass die CDU von ihrer Idee ablässt, legt die Vermutung nah, dass es um etwas Grundsätzlicheres geht, nämlich alternativem Wohnen keinen Platz zu lassen.
Im Grunde freuen wir uns zumindest darüber, dass die CDU ihr Herz gegen den Ausverkauf kommunalen Eigentums entdeckt hat. Auch wir wollen die Fockestraße 80 nicht zwingend verkaufen, wir wollen aber auch nicht verdrängen. Es gibt andere geeignete Formen der zeitweiligen Nutzung.
Und an diesem Punkt möchte ich mich auch an die Stadtverwaltung wenden: Eine klarere Kommunikation in Bezug auf das in Rede stehende Grundstück hätte einiges an Unsicherheit nehmen können. So kommunizierte das Liegenschaftsamt im Sommer letzten Jahres öffentlich, dass ein Verkauf des Grundstücks geplant sei und dass die BewohnerInnen die WunschkäuferInnen wären. Sieben Monate später müssen wir einen kompletten Wandel der Position zur Kenntnis nehmen. So soll das Grundstück im Eigentum der Stadt bleiben und für soziale Infrastruktur vorbehalten bleiben.
Dagegen haben wir nichts einzuwenden. Eine Lösung für die, die die Fläche nun beinah zwei Jahrzehnte nutzen, ist überfällig.
Und genau darauf zielt der von mir eingereichte Änderungsantrag, der im Grunde in dieselbe Richtung wie die von Herrn Zenker geht bzw. ein Änderungsantrag zu seinem Antrag ist. Es geht mir allerdings darum die Betroffenen in den Prozess eines angestrebten Vertragsabschlusses einzubeziehen, ihnen auf Augenhöhe zu begegnen. Es geht darum sich nicht auf eine Vertragsart festzulegen. Beides wurde und wird bereits in Bezug auf Vertragsverhandlungen mit anderen Wagenkollektive praktiziert. Zudem sollte, wenn wir schon mal über das grundsätzliche Thema sprechen, auch ein weiteres Aspekt einbezogen werden: Die geplanten Abrissarbeiten auf dem Grundstück. Diese betreffen diverse Gebäude, einen Schornstein und zwei Hallen, die teilweise von den BewohnerInnen genutzt werden und von ihnen auch ertüchtigt werden könnten. Die Abrissarbeiten sollen auf Eis gelegt werden bis ein Vertragsabschluss erreicht wurde. Es geht darum endlich Transparenz und Augenhöhe zu erreichen. Beides fehlte in den vergangenen Jahren.
Lassen sie uns heute eines tun und eines lassen: Lassen sie uns nicht alternatives Wohnen gegen Schulen ausspielen. Lassen sie uns eine Perspektive für den Wagenplatz Fockestraße schaffen.
Mein Änderungsantrag, der sich an den von SPD-Stadtrat Christopher Zenker anlehnt, wurde angenommen und ersetzte den Antrag der CDU.
Beschlusstext:
Das Grundstück Fockestraße 80 verbleibt im Eigentum der Stadt. Aufgrund besser geeigneter Standorte wird er mittelfristig nicht als Schulstandort genutzt, aber aufgrund der Bevölkerungsentwicklung strategisch als Fläche für soziale Infrastruktur vorgehalten.
Gemeinsam mit den WagenplatznutzerInnen wird bis zum Ende des III. Quartals eine Form der vertraglichen Nutzung des Grundstückes ockestraße 80 gefunden (Pacht-, Miet-, Nutzungsvertrag o. a.). Bis zum Vertragsabschluss werden die geplanten Abrissarbeiten nicht vollzoFgen.
Für den Fall, dass das Grundstück doch irgendwann für einen Schulbau benötigt werden sollte und umweltrechtliche Belange geklärt werden können, kann der Vertrag eine Ausstiegsklausel für die Stadt enthalten. Die Stadt wird in diesem Fall mit den Bewohnerinnen und Bewohnern einen alternativen Standort für den Wagenplatz suchen.
Alles ist scheinheilig: Wieso wurden Freiflächen für Schulen, Parks, Kindergärten und andere Öffentliche Einrichtungen nicht schon vor Jahren von der Stadt gesichert, als die Bodenpreise noch im Keller waren?
Wieso muss jetzt den Investoren rund um den Bayrischen-Bahnhof jeder Preis gezahlt werden, den diese verlangen, um genug Schulen / Kindergärten in diesem neu geplanten Stadtteil errichten zu können?
Wieso werden Notunterkünfte für Flüchtlinge für über 10Mio Euro an der Pragerstraße und in einem Gewerbegebiet bei Grünau gebaut, statt richtige Wohnungen zu bauen, die die Stadt so dringend braucht?
Wieso werden nur 500 neue Sozialwohnungen in den nächsten 2 Jahren in Leipzig gebaut, wo doch wahrscheinlich durch Aufwertung und Luxussanierung mehr als 500 Sozialwohnungen im gleichen Zeitraum vom Markt verschwinden? Unterm Strich also noch weniger bleibt, obwohl auch Flüchtlinge häufig Sozialwohungen brauchen und in Leipzig die ausgedehnte Beschäftigungssituation im Niedriglohnsektor deutlich mehr Sozialwohnungen erforderlich macht?