AfD kratzt auch im Landtag am Grundrecht auf Asyl

Meine Rede zum Antrag der AfD-Fraktion im Sächsischen Landtag mit dem trügerischen Titel „Wirkliche Verbesserungen des Asylverfahrens in Gang setzen“. Mit diesem Antrag greift die nationalkonservative Partei allerlei Vorschläge aus dem Asylverschärfungsdiskurs auf und rüttelt an verbrieften Rechten

Es gilt das gesprochene Wort

„Herbstoffensive“ nennen sie als antragsstellende Fraktion ihren perfiden Plan, die Stimmung gegen geflüchtete Menschen und das „politische Establishment“ in diesem Land weiter anzuheizen. Genau so sieht verantwortliche Politik nicht aus, wohlgemerkt in einem Bundesland, in dem inzwischen täglich mehrere rassistische Aufmärsche stattfinden, in dem Asylunterkünfte mehrmals in der Woche angegriffen oder ohne Intervention der Polizei blockiert werden.
Dresden, Leipzig, Eilenburg, Freiberg, Meißen, Pirna und immer wieder Heidenau, das sind die Orte in der sie mit der Parole „Asylchaos stoppen“ aufwarten.

Und hier liegt uns nun ein Antrag vor, der die Begleitmusik zur Stimmungsmache auf der Straße sein soll.

Sein Titel ist trügerisch, denn Vorschläge zur „wirkliche Verbesserungen des Asylverfahrens“ finden sich in ihm nicht. Das hat er mit dem Mitte Oktober durch den Bundestag gepeitschten Asylbeschleunigungsgesetz übrigens gemein. Beide Initiativen sollten wohl eher den Titel „sukzessive Abschaffung des Grundrechts auf Asyl“ tragen.

Der vorliegende Antrag ist nichts anderes als ein Sammelsurium an repressiven und zum Teil rechtswidrigen Vorschlägen, einige der Forderungen sind bereits offizielle Politik oder dem Asylrechtsverschärfungschor der Union entnommen.

Auffällig ist, dass sie als AntragsstellerInnen von der AfD scheinbar ihr Herz für die Europäische Union als Regelungsinstanz erkannt haben.

Genauso auffällig ist es, zum x.ten Mal politische Angelegenheiten der EU oder des Bundes aus einem Landesparlament spielen zu wollen. Scheinbar lässt sich dieses Spiel gut draussen, auf der Straße verkaufen.

Sie übersehen allerdings – sicherlich wissentlich – dass wir 1. für 85 % ihres Antrages nicht zuständig sind und 2. dass sie den Landtag auffordern zum Teil völkerrechtliche Übereinkünfte und lange ausgehandelte und diskutierte EU-Rechtsakte anzutasten, mal ganz abgesehen vom Grundgesetz.

Polemisch lässt sich fragen warum sie nicht gleich fordern die Unterzeichnung der Genfer Flüchtlingskonvention aufzukündigen. Das wäre zumindest konsequent.

Ihr erstes Angriffsziel ist also die Ebene der EU: Den auch auf dieser Ebene geregelten umfassenden Schutzanspruch von Flüchtlingen versuchen Sie anzutasten.

Seit 1999 hat die EU die Kompetenz, das Flüchtlingsrecht zu regeln. Die Qualifikationsrichtlinie definiert seit 2004 den Flüchtlingsschutz für alle EU Mitgliedstaaten verbindlich. Auch die EU-Grundrechtecharta garantiert in den Artikeln 18 und 19 ein Recht auf Asyl. Das heißt: Das individuelle Recht auf Asyl besteht auf EU-Ebene fort. Zudem sind alle EU-Staaten UnterzeichnerInnen der Genfer Flüchtlingskonvention sowie des Zusatzprotokolls über die Rechtsstellung von Geflüchteten.

Ein wesentlicher Kern der GFK und auch der Europäischen Menschenrechtskonvention ist das Refoulment-Verbot, der Grundsatz der Nichtzurückweisung. Danach dürfen die Vertragsstaaten einen Flüchtling nicht über die Grenzen von Gebieten aus- oder zurückweisen, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Herkunft, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sein würde. Asylsuchende, die an der Grenze eines EU-Staates Asyl beantragen, werden also von der GFK vor Zurückweisung geschützt. Ob ihnen ein Flüchtlingsstatus zugesprochen wird, wird in einem rechtsstaatlichen Verfahren geprüft. Bis dahin steht dem oder der Betroffenen Schutz zu.

Ich bin mir nicht ganz sicher ob sie als antragstellende Fraktion sich dieser Grundlegungen bewusst sind. Scheinbar nicht. Nach ihrem Antrag sollen Aylbegehre demnach in den außereuropäischen Transitländern abgewickelt werden. Die humanitäre Katastrophe soll also schön vom reichen Westen ferngehalten werden. Ein derartiger Chauvinismus ist mir zutiefst zuwider und er ist glücklicherweise rechtswidrig. Zudem muss ich ihnen sicherlich nicht erzählen was in den Anrainerstaaten Syriens los ist, in welchem Maße die Stabilität der kleinen Staaten Libanon und Jordanien in Gefahr ist, welche Zustände in Flüchtlingslagern in der Türkei oder in Afrika herrschen? Oder soll ich ihnen erzählen, dass die Hilfsprogramme für die Geflüchteten, die im Umfeld ihrer Herkunftsländer bleiben, die absolute Mehrzahl – seit Jahren chronisch unterfinanziert waren und sind, dass Menschen in den Camps nicht mal einen Dollar am Tag zum Leben haben?

Nein, wir werden die Menschen nicht aufhalten, weder durch Selektionssysteme in afrikanischen oder asiatischen Staaten, noch durch die weitere Abschottung der Festung Europa. Was wir damit produzieren würden, wäre eine Verschärfung der humanitären Katastrophe und noch mehr Menschen, die auf der Flucht zu Tode kommen. Wir brauchen sichere Fluchtwege in das Herz des Wohlstands, in die Europäische Union.

Während die Bundesregierung im Sommer mit der Aussetzung der Dublin-III Regel für Geflüchtete aus Syrien einen lichten Moment hatte, ist es kaum verwunderlich, dass die AfD deren konsequente Durchsetzung fordert. Meine Damen und Herren, beim Festhalten an diesem vollends gescheiterten System sind sie nicht allein. Solange wir allerdings keine Harmonisierung der Asylsysteme in den EU-Staaten auf einem hohen Niveau erzielt haben – PRO Asyl spricht davon dass nur acht bis zehn Mitgliedsstaaten überhaupt ein etabliertes Schutzsystem haben – solange müssen wir weder über Dublin noch über europäische Verteilquoten sprechen. Zumindest Dublin wollen wir, will DIE LINKE endlich begraben. Neben dem Fakt des Scheiterns, ist es ein unmenschliches, ein unsolidarisches Instrument.

Als LINKE stehen wir für die Harmonisierung der europäischen Asylsysteme, auf hohem Niveau. Wir stehen zur Durchsetzung der bestehenden Richtlinien, was vor allem in Bezug auf die EU-Aufnahmerichtlinie in Deutschland noch nicht geschehen ist. Gerade diese RL definiert Normen, die Geflüchteten EU weit ein menschenwürdiges Leben und ein faires Asylverfahren, garantieren sollen. Wir stehen für ein offenes Europa, das Menschen sicher und würdig aufnimmt, anstatt sie an den Außengrenzen auszusperren oder sterben zu lassen.

Sie, Herren und Damen von der AfD, sie wollen mit diesem Antrag anheizen, humanitäre und rechtsstaatliche Standards absenken und Geflüchtete noch mehr entrechten. Das was CDU/CSU diskutieren, das was die große Koalition an Grausamkeiten auf Bundesebene bereits auf den Weg gebracht hat und bringen will, reicht ihnen nicht aus.

Und so findet sich im Antrag im weiteren ein Poutpourrie aus rassistisch gefärbten, den Menschenrechten widerstrebenden und gegen EU-Recht verstossenden Vorschlägen: einen noch krasseren Angriffe auf den Familiennachzug als ihn der Bundesinnenminister sowieso plant, die oft zitierte Obergrenze für Asyl, restriktive aufenthaltsrechtliche Maßnahmen gegen so genannten kriminelle Ausländer, Passentzug, Ausweitunng der Abschiebehaft, Abschiebelager – mit diesen Maßnahmen wollen sie auf der Straße glänzen und dem ausser Rand und Band geratenen Mob Futter geben. Ihre geheuchelte Sorge um von Diskriminierungen betroffene Asylsuchende in den Massen- und Gemeinschaftsunterkünften ist eine Farce. Entsprechende Vorfälle, denen tatsächlich begegnet werden muss, dienen ihnen nur als weiteres Argument in ihrer pauschalisierenden Hetze. In Pressemitteilungen und Facebookkommentaren erwecken sie immer wieder den Eindruck als wenn es sich insbesondere bei muslimischen Geflüchteten um potentielle Vergewaltiger und sonstige Schwerstkriminelle handeln würde. Und genau so macht auch ihre Forderung nach Erfassung der Religionszugehörigkeit einen Sinn.

Kurzum: es ist unerträglich. Sie sind dabei den insbesondere in Sachsen zutiefst angeschlagenene sozialen Frieden weiter zu gefährden. Es dürfte sie nicht überraschen, dass wir diesen Antrag aus vollstem Herzen ablehnen werden.

Rede zum Antrag der AfD-Fraktion Drs 6/3218, im November-Plenum des Sächsischen Landtages

2 Gedanken zu „AfD kratzt auch im Landtag am Grundrecht auf Asyl“

  1. Wenn ich sehe wer da unten im nahen Osten alles was kapput gemacht hat:

    -Russland
    -Nato inkl. Kanada…
    -EU mit Deutschland, Frankreich, Großbritannien…

    Dann sind die Probleme die wir heute in der Welt haben nicht nur „Hausgemacht“ sondern alle diese Länder sind moralisch verpflichtet die gesamte Gegend von Afganistan bis Syrien wieder aufzubauen.

    Diese Länder waren ein reich an Kultur, Kunst und exotischen Früchten. Der Lebensstandard war vergleichweise gut. Und heute? Krieg und Angst, nichts wo man eine Familie großziehen möchte.

    Erst wenn der Westen und Russland mit der Bevölkerung im Nahen Osten kooperiert kann gemeinsam Frieden und Wohlstand geschaffen werden, ansonsten wird es wohl soweiter gehen wie in den letzten Jahren.

  2. Und die AFD? Ob die bei der nächsten Bundestagswahl wirklich nur 10% bekommt?

    Das hängt wohl alles davon ab was in den nächsten Jahren gutes oder schlimmes passiert. Die Bevölkerung will am Ende gute und sichere Lebensverhältnisse was auch natürlich ist.

    Das beste wäre wenn sich ganz Europa in der Frage der Flüchtlingen solidarisch zeigt, das würde die Lasten verteilen und die Integration der Flüchtlinge sehr erleichtern und zudem ein Zeichen setzen, dass Europa humanistische Werte verteidigt.

    Solche Werte könnten Europa in Zukunft auch vor einem Krieg schützen. Kein Land der welt wird eine humanistische Staatengemeinschaft angreifen die von sich aus friedlich ist und dennoch über ernsthaftes militärisches Potenzial zur Verteidigung verfügt.

    Doch ein Land wo ein Menschenleben nicht viel bedeutet, auf ein solches Land wurden in der Geschichte auch schon Atombomben abgeworfen.

    So wie man in den Wald hineinruft, schallt es heraus und Deutschland und Europa ist in der Welt nuneinmal nicht alleine.

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