Das Wachstum von Leipzig ist eine politische Herausforderung für die gesamte Stadt.
Mein Beitrag in der Wahlkreis-Süd-Zeitung der LINKEN.
Das hatten auch die kühnsten Prognosen nicht vorhergesagt: Die Stadt Leipzig wächst unaufhörlich. Die optimistischste Bevölkerungsvorausschätzung geht davon aus, dass im Jahr 2023 die 600.000-EinwohnerInnen- Marke geknackt wird. Nach der politischen Wende hatte es – wie in ganz Ostdeutschland – einen rapiden Bevölkerungsrückgang gegeben, der 1998 mit 437.101 BewohnerInnen seinen Tiefstand erreichte. Aktuell leben etwa 544.000 Menschen in Leipzig. Im ver-gangenen Jahr zogen rund 35 000 Menschen nach Leipzig – abzüglich der Wegzüge blieb ein Plus von 13.000. Die Geburten erreichten mit 6.241 einen Höchststand seit 1990. Zum ersten Mal seit 1996 wurde damit die Zahl der Sterbefälle nicht nur kompensiert, sondern ein Geburtenüberschuss erzielt.
Dieses Wachstum hat handfeste Konsequenzen. Über Jahre hinweg war die Stadtpolitik auf Schrumpfung oder Stagnation orientiert. In den 1990er Jahren wurden massiv Kindertagesstätten und Schulen geschlossen, Straßenbahnlinien ausgedünnt und Häuser abgerissen.
Viel zu spät erkannte die Stadtverwaltung die Trendwende. Denn bereits 2002 setzte die Reurbarnisierung ein, die Stadt wuchs wieder schneller als das Umland. Seit 2005 geht die Bevölkerungskurve stetig nach oben. Die aktuellen Entwicklungen kamen also nicht über Nacht. Es kann mit Fug und Recht davon gesprochen werden, dass die Fehlplanungen im Bereich der sozialen Infrastruktur auf eine fehlerhafte Bevölkerungsvorausschätzung zurück zu führen sind.
Fakt ist: Das Wachstum der Stadt bedarf großer Bemühungen.
….die Schere zwischen arm und reich geht weiter auseinander
Zwar ist das Einkommensniveau gestiegen, Leipzig bleibt allerdings eine der Armutshauptstädte der Bundesrepublik. Weiterhin sind etwa ein Viertel der in Leipzig lebenden Menschen von Armut betroffen. 27 % der Kinder unter 15 Jahren mussten 2012 von Sozialgeld leben.
Die sinkende Arbeitslosenquote führt längst nicht zu wachsendem Reichtum, denn trotz Mindestlohn sind zu viele Menschen prekär beschäftigt. Sachsen ist ein ausgemachtes Niedriglohnland: Der Freistaat warb noch 2014 damit, ein mit „19 Prozent unter dem Bundesdurchschnitt liegendes wettbewerbsfähiges Lohnniveau zu haben“. Leipzig hebt sich von diesem niedrigen Niveau nicht ab. Zwar ziehen immer mehr Menschen nach Leipzig, weil sie hier Arbeit finden. Von der Steigerung des persönlichen Nettoeinkommens, das 2014 laut Kommunaler BürgerInnenumfrage um 55 Euro auf 1207 Euro gestiegen ist, können jedoch nicht alle profitieren. Die Steigerung des Durchschnittsverdienstes fällt vor allem an die höheren Einkommen. Die Schere zwischen arm und reich bleibt nicht nur gleich groß, sondern geht auseinander.
Es braucht daher nachhaltige Strategien für ein gutes Leben für alle in Leipzig lebenden Menschen, ob jung oder alt, ob mit oder ohne Erwerbsarbeit. Selbst das kommunalpolitische Repertoire kann einiges zur Linderung der sozialen Schieflage beitragen. So zum Beispiel der von der Fraktion DIE LINKE im Stadtrat mehrfach vorgeschlagene öffentliche Beschäftigungssektor zur Unterstützung von non-profit-Tätigkeit im sozialen, ökologischen oder im kulturellen Bereich. Gleiches gilt für den strikten Ausschluss von Dumpinglöhnen in der Verwaltung.
… zu wenig Platz in Kita, Schulen und Jugendeinrichtungen
Nach einem rapiden Rückgang wächst die Zahl der Kinder und Jugendlichen in Leipzig wieder an. Das hat Konsequenzen auf die notwendige Kindertagesbetreuungs- und Bildungsinfrastruktur. Seit Jahren steigt der Bedarf an Kita-Plätzen.
Seit Jahren wächst der Druck auf die Stadtverwaltung, insbesondere im Kita-Bereich genügend Plätze zu schaffen. Denn der Wunsch, die Kinder nicht zu Hause, sondern in öffentlichen Einrichtungen betreuen zu lassen, ist und bleibt auch in Leipzig groß. Und das ist gut so.
Frühkindliche Bildung ist gut für die Kinder und gibt auch den Eltern Zeit und Raum für (Weiter-)Bildung oder Erwerbstätigkeit. Bis zum Inkrafttreten des Rechtsanspruchs auf einen Krippenplatz im August 2013 legte die Stadt in Sachen Bedarfsdeckung eher eine laxe Haltung an den Tag. Jahr für Jahr wurden nicht nur zu wenig Plätze geplant, sondern davon durchschnittlich auch nur 60 % tatsächlich realisiert. Die Linksfraktion beantragte 2013, Auge in Auge mit dem nahenden Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz für jedes Kind, die Methodik zur Planung neuer Plätze zu verändern: Weg von der Berechnung nach Nutzungsquoten des Vorjahres hin zur Erfassung des tatsächlichen Bedarfes. Die gängige Planungsmethodik erfasste nämlich die hohe Zahl der Kinder, die keinen Kita-Platz abbekommen hatten, nicht. Zudem setzten wir eine größere Transparenz bei der Bautätigkeit durch. Langsam aber sicher zieht unter anderem durch diese Weichenstellungen und den massiven Druck, den auch Eltern ausübten, Entspannung ein.
Im Jahr 2014 wurden über 1000 Plätze neu geschaffen, im Jahr 2015 sollen es an die 3000 werden.
Der Geburtenaufwuchs ist längst bei den schulpflichtigen Kindern angekommen – und auch im Schulbereich drückt der Schuh. In den kommenden Jahren sollen bis zu zehn Schulen in Leipzig entstehen. Oder besser gesagt: Sie müssen schleunigst entstehen.
Neben der prekären Co-Finanzierung des Schulhausbaus durch den Freistaat Sachsen liegt auch die Sicherung der Grundstücke im Argen. Erinnert sei an den Verkauf des Jahrtausendfelds in Plagwitz aus städtischer Hand an die Stadtbau AG, das eigentlich als Schulstandort geplant war.
Doch auch die Kinder- und Jugendhilfeinfrastruktur, vom klassischen Jugendclub über Jugendsozial- oder medienpädagogische Arbeit bis hin zu den Hilfen zur Erziehung, muss auf den Prüfstand gestellt werden. Aufgrund wachsender Problemlagen und sich verändernder gesellschaftlicher Anforderungen braucht es nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ eine Stärkung dieses traditionell stiefmütterlich behandelten Bereiches. Mit dem städtischen Haushalt 2015/16 konnte zum ersten Mal seit der massiven Kürzungswelle des Freistaates Sachsen 2009 ein echter Sprung bei der Finanzierung der freien Träger der Jugendhilfe durchgesetzt werden – damit können erstmals seit Jahren Löhne und andere Ausgaben an die steigenden Ausgaben angepasst werden.
…angespannter Wohnungsmarkt in Sicht
Vor mehr als zehn Jahren galt Leipzig noch als die Hauptstadt des Wohnungsleerstandes.
60.000 Wohnungen standen bis zur Jahrtausendwende leer. Innerhalb von zehn Jahren hat sich dieser Leerstand jedoch mehr als halbiert. Bei anhaltend hohem Bevölkerungswachstum kann es in nicht all zu langer Zeit zum Wohnungsmangel kommen. Gleichzeitig steigen die Mietpreise stetig an. Dies hat auf eine MieterInnenstadt wie Leipzig, wo etwa 87 % der Menschen in Mietwohnungen leben, handfeste Auswirkungen. Teure Sanierungen und Neubauten sind für einen nicht geringen Anteil der in Leipzig lebenden Menschen nicht erschwinglich. Es gibt erste Fälle von Verdrängung von MieterInnen aus ihren Wohnungen. Gleichzeitig haben auf politischer Ebene die Diskussionen begonnen, rechtzeitig zu reagieren, bevor das Niveau der Mieten noch weiter in den Himmel schießt. Nicht mehr als ein Drittel des Einkommens sollte ein Haushalt für die Miete ausgeben. Dieses Verhältnis könnte sich in Leipzig weiter verschieben. Aufgrund ihrer Einkommenssituation sind viele Leipzigerinnen und Leipziger sehr sensibel auch für kleine Mietsteigerungen.
Der Verkauf von etwa 50 % der Bestände des kommunalen Wohnungsunternehmens LWB hat sich als politischer Fehler erwiesen, ist aber nicht mehr rückholbar. Mit der Fortschreibung des Wohnungspolitischen Konzeptes der Stadt Leipzig, das noch im Herbst diesen Jahres durch den Stadtrat beschlossen werden soll, werden aktuell verschiedene Instrumente diskutiert, um Wohnen in der Stadt für alle bezahlbar zu halten. Wie kann kostengünstiger gebaut werden, wie kann die Durchmischung der Stadtbezirke und Ortsteile gewährleistet werden, wie können LWB und andere VermieterInnen ihre Aufgabe der Versorgung einkommensschwacher, älterer oder körperlich benachteiligter Bevölkerungsgruppen verlässlich erfüllen – diese und zahlreiche andere Fragen werden in dem Konzept angepackt.
Das Wachstum der Stadt hat Auswirkungen auf nahezu alle Lebensbereiche. Dazu gehören auch der Öffentliche Personennahverkehr als zentrale Alternative zum Auto sowie die Infrastruktur von Sport und Kultur.
Nicht zuletzt sind mit dem Zuzug junger Menschen und MigrantInnen auch lebenskulturelle Umbrüche verbunden.
Leipzig pulsiert, atmet und verändert sich. Diese Veränderungen politisch zu gestalten und allen ein würdiges Leben und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen, wird die zentrale politische Aufgabe der nächsten Jahre sein.
Jule Nagel, August 2015
Laut städtischen Quartalsbericht hatte Leipzig am 30. Juni 2015 bereits über 556.000 Einwohner. Die 560.000 Marke dürfte deshalb noch im Oktober erreicht werden.
Mal noch etwas zum nachdenken:
Der Bund will 500 Millionen Euro für Sozialen Wohnungsbau bereitstellen. Es werden aber nicht diese 0,5 Mrd. EUR benötigt sondern für gesamt Deutschland in den nächsten 5 Jahren: 15 Milliarden Euro. Besonders für die Großstädte.
Auch zur Integration der Flüchtlinge werden nich 5 oder 10 Mrd. Euro benötigt sondern in den nächsten 5 Jahren bis zu 100 Mrd. Euro. Alleine die Sprachkurse werden schon über 10 Mrd. Euro kosten. Jedenfalls wenn man es richtig machen will und nicht nur halb.
Wenn schon nicht die großen Milliarden Euro da sind, dann vielleicht wenigstens im kleinen etwas hilfreiches schaffen.
Wie wäre es wenn Deutschlehrer die in Rente sind steuerfrei an Volkshochschulen…. Deutsch unterrichten dürfen oder Lehramtsstudenten oder andere Deutschstudenten die bereits den Bachelor oder eine Zwischenprüfung bestanden haben sich steuerfrei Geld an den VHS….oder Anbietern von Integrationskursen Geld hinzuverdienen können.
Da könnte man mit einem Integrationsgesetz sehr gute Motivationen setzen, viele Rentner möchten noch ein paar Stunden in der Woche in ihrem alten Beruf aktiv sein und Studenten brauchen oft Geld, wieso sollen sie also Kellnern wenn sie ihr Talent gleich in der Praxis einsetzen könnten.
Leipzig könnte in einem Willkommenszentrum für Flüchtlinge und Migranten auch kostenlose Deutschkurse anbieten in verschiedenen Stufen bis Niveau B2, vielleicht in Kooperation mit der VHS und mit ehrenamtlichen Rentnern oder Studenten die dafür aber schon etwas bekommen sollten von Stadt und seih es eine steuerfreie Aufwandsentschädigung, Jahresticket von der LVB oder Gutscheine z.B. für Bäder, Theater…..
Da Leipzig soviele neue Bürger gewinnt sollte das Wilkommenszentrum auch Ansprechpartner für Zuwanderer aus Deutschland haben, wo man sich über Freizeitmöglichkeiten, Jobs und Wohnangebote…. in der Stadt und über das Leipziger Umland informieren kann….
Die Stadt sollte also unbedingt so ein Willkommenszentrum zentral in der Stadt aufbauen.
Nicht nur die Stadt wächst sondern damit auch die Rasser!!!
Erst vorgestern wurde 1m vor mir fast ein anderer Radfahrer von einem Audi umgefahren, der Audifahrer mit Kennzeichen F hatte ihm die Vorfahrt genommen und offensichtlich nicht gesehen und konnte nur ca. 1,5m vor ihm per Vollbremsung zum stehen kommen…..
Die Autofahrer werden immer radikaler! Die bolzen die Leute in der Stadt um! Fußgänge! Radfahrer! Das wird immer schlimmer….besonders im Feierabendverkehr ist es teilweise lebensgefährlich!
Die Stadt muss da etwas machen:
1. Tafeln mit Unfallbildern an Schwerpunken aufstellen!
2. Mehr Kontrollen durch Polizei und zwar nicht nur Geschwindigkeitsmessung sondern vorallem Fahrstil!
3. An Schwerpunkten und Gebieten mit hoher Fußgänger- und Radfahrerdichte die Geschwindigkeit reduzieren, 30 statt 50km/h! Dann fahren die Rasser immernoch 50!
4. Zeitweise Drohnen an Umfallschwerpunkten einsetzen die den Fahrstil von Rasern filmen und die KFZ Kennzeichnen erfassen, die Rasser könnten dann von einer Motorradstreife ect… aus dem Verkehr gezogen werden.
Fast jeden Tag werden in Leipzig irgendwo Menschen angefahren! Monatlich gibt es Tote! Die Stadt muss was machen!!!
ah, martin. ich schaffe es nicht alle deine kommentare zu beantworten geschweige denn zu lesen. hast du nicht lust iwo mitzumachen und deine idee konkret einzubringen?
Kostenlose Sprachkurse gibt es in Leipzig für Geflüchtete schon lange, B1 an der VHS. Bezahlt die Stadt aus der eigenen Tasche. Die „Entlohnung“ des Ehrenamtes nehm ich mal mit.. das klingt gut.
Willkommenszentrum: Der Antrag der Grünen im Original war recht dünn, wir haben einen Änderungsantrag dazu gemacht, https://ratsinfo.leipzig.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=1002410 und die Grünen jetzt ne Neufassung gemacht.
Ich würde vieles gerne tun wenn ich mehr Zeit hätte, nicht desto trotz glaube ich das sich um Leipzig viele bemühen und sich die Stadt positiv entwickeln wird. Wenn es auch sehr viele Problemfelder zu bearbeiten gilt.
Laut LVZ hatte Leipzig am 30. September schon über 560.000 Einwohner.
Bis Ende des Jahres sollen es schon über 570.000 Einwohner sein.
Dann werden es folglich nächstes Jahr weit über 580.000 Einwohner, vielleicht fällt sogar die 600.000 Marke.
Soviel zur Stadtplanung! Das Rathaus schläft…statt Sozialwohnungen und Kita und Schulen zu bauen, schlafen die einfach……unfassbar!
In Leipzig leben jetzt wieder soviele Menschen wie vor der Wende. Vielleicht fällt noch vor 2020 der Höchstwert von 718.000 Menschen aus dem Jahr 1930.