Im Leipziger Stadtrat stand am 28.2.2018 der Antrag der Linksfraktion „Keine rassistische und nationalistische Hetze auf der Buchmesse“ zur Abstimmung. Nach heftiger Diskussion fand dieser keine Mehrheit. Was bleibt ist eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit, ein sensibilisiertes Vorgehen der Messe GmbH und zahlreiche Protestveranstaltungen gegen die Präsenz von (neu)rechten Verlagen auf der Buchmesse. Meine Rede zum Nachlesen:
Die Leipziger Buchmesse steht vor der Tür. Und ich bin mir sicher: Der Großteil in diesem Saal freut sich auf eine von Besucherinnen und Besuchern belebte Stadt, auf das vielfältige und reichhaltige Ausstellerangebot auf der Messe und auf das Lesefest in der Stadt und auf der Messe. Seit Jahren wächst die Zahl der MessebesucherInnen und besucher und auch die der vertretenen Länder. Ja, die Buchmesse ist ein echter kultureller, geistiger und bildnerischer Höhepunkt in dieser Stadt.
Ein Höhepunkt, der seit vielen Jahren von der Präsenz von Akteuren, die die Messe für menschenfeindliche, diskriminierende, völkische und rassistische Ansichten nutzen, überschattet wird. Es ist nicht nur die Compact-Magazin GmbH, die seit 5 Jahren an ihrem immer weiter wachsenden Ausstellerstand präsent ist. Dort wird u.a. das verschwörungsideologische Magazin COMPACT zur Schau gestellt, in dem voller Wolllust gegen das sogenannte Establishment, gegen Israel und die USA, gegen Flüchtlinge oder Muslime gehetzt wird. Es sind auch andere Akteure eines immer weiter an Bedeutung gewinnenden neurechten publizistischen Netzwerkes, wie etwa die Wochenzeitung Junge Freiheit, die als Scharnier zwischen Konservatismus und Neonazismus gilt, der Haus- und Hofverlag der NPD, Deutsche Stimme, oder der neurechte Verlag Antaois.
Nein, all diese Akteure sind nicht neu auf der Messe. Neu ist die gesellschaftliche Debatte und aufgeheizte gesellschaftliche Stimmung, neu sind die erschreckenden Ereignisse auf der Frankfurter Buchmesse im Oktober letzten Jahres, neu sind Schamlosigkeit und Selbstdarstellungsdrang der extremen Rechten zumindest in der Vehemenz und Konzertiertheit, wie sie auf der Messe im März zu erwarten sind.
Diese Akteure sind Stichwortgeber für Pegida, für Legida, für tätliche Angriffe auf Unterkünfte von Geflüchteten, für Angriffe auf das Selbstbestimmungsrecht der Frau, auf gleichgeschlechtliche Lebensweisen, auf demokratische Prinzipien – kurzum auf progressive Errungenschaften unserer Zeit.
Die (extrem) Rechten sind es, die die Meinungsfreiheit bedrohen, weil sie bestimmten Gruppen von Menschen das Recht auf freie Meinungsäußerung aberkennen. Sie sind es, die die Meinungsfreiheit bedrohen, weil ihre Denkweisen radikal gegen Menschenrechte und Demokratie gerichtet sind. Sie sind es, die die Meinungsfreiheit bedrohen, weil ihre politische Strategie auf dem Abbau von Freiheitsrechten basiert. Die neurechten Akteure haben kein Interesse an Diskurs und Meinungsaustausch. Das hat nicht zuletzt die Frankfurter Buchmesse gezeigt. Dort nutzten prominente Vorkämpfer der neuen Rechten, wie der Chef der Identitären oder der AfD-Rechtsaußen Bernd Höcke die Messe als Bühne für ihre Propaganda, dort wurden nicht-rechte Aussteller und BesucherInnen bedroht, eingeschüchtert, geschubst und bepöbelt. Die Messeleitung ließ eine Strategie im Umgang mit diesen Versuchen der Besetzung von Räumen durch die rechten Akteure missen.
Meinungsfreiheit ist für die benannten neuen und alten Rechten ein Kampfbegriff und ich bitte sie, Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen, auf diese scheinheilige Argumentationsfigur nicht hereinzufallen. Wir als LINKE meinen, dass ein Ausschluss der benannten Akteure ein Schritt zur Sicherung der Meinungsfreiheit wäre. Darum stellen wir hier und heute unseren Antrag „Keine rassistische und nationalistische Hetze auf der Leipziger Buchmesse“ zur finalen Diskussion und Abstimmung. Der Antrag entstand vor der Frankfurter Buchmesse und er entstand bevor wir Kenntnis davon hatten, welch illustres Stelldichein sich extrem Rechte Verlage auf der 2018er Buchmesse geben wollen. Dies zusammengenommen mit den Ereignissen der beiden Vorjahre, als nur Compact sehr präsent auf der Buchmesse vertreten war, und an deren Stand Journalisten und Protestierende von Standpersonal, Neonazis und angetrunkenen Compact-eigenen Sicherheitsleuten bedroht wurden, deuten auf eine weitere Verhärtung der Situation hin. Und da nutzt es auch nichts, die betreffenden Verlage an einem Ort zu bündeln, wie es die Messeleitung im März tun will.
Nun gibt es außer der politischen Willensbekundung zum Ausschluss der benannten Akteure natürlich noch formale Probleme. Die liegen in der Anteilseignerschaft an der Leipziger Messe, die bekanntlich zu 50 % bei der Stadt und zu 50 % beim Land liegt. Andererseits stellt sich die Frage nach welchen Kriterien und auf welcher Rechtsgrundlage Verlage ausgeschlossen werden können.
Zu ersten Punkt: Hier sehen wir den politischen und verhandlerischen Willen der Stadt als ebenbürtigen Partner des Freistaats in der Gesellschafterversammlung gefragt.
Die Frage der Kriterien und Rechtsgrundlage ist da sicher schwieriger. Ich stütze mich auf Aussagen des Messedirektors Zille gegenüber der Presseagentur KNA, dass 5 rechtsextreme Verlage auf der Messe präsent sein werden. Die inhaltlichen Kriterien sind der Messe also hinreichend bekannt. Als mögliche Rechtsgrundlage schlagen wir vor, es mit dem § 70a Absatz 1 der Gewerbeordnung – also die Nichtteilnahme mit der Unzuverlässigkeit der Aussteller – zu begründen. Da scheinen uns die Aussagen im Verwaltungsstandpunkt aber nicht derart, dass Ausschlussgründe ernsthaft geprüft wurden.
Zum Schluss möchte ich in diesem Sinne mit dem Journalisten Kolja Mensing sprechen. Dieser formulierte kürzlich in Deutschlandfunkkultur: „Einfach mal vorher schon vom „Hausrecht“ Gebrauch machen, einfach mal Nein sagen – und zwei, drei Quadratmeter Messefläche nicht an rechts vermieten. Das Wirtschaftsunternehmen „Buchmesse“ wird’s verkraften. Und das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung wird damit in Deutschland ganz sicher nicht beschnitten.“
Ich bitte um Zustimmung zum Antrag.
Bildquelle: Verlage gegen rechts