Ende Mai kam der Hammer. Das Gewerbe- und Sicherheitsamt der Stadt Leipzig übermittelte dem Institut für Zukunft, einem inzwischen renommierten Zentrum für elektronische Kultur und Bildung, dass von nun an die Sperrstunde einzuhalten ist.
Die Sperrstunde ist ein mittelalterliches Relikt. Sie ist im Sächsischen Gaststättengesetz verankert und beginnt „bei öffentliche Vergnügungsstätten um 5 Uhr und endet um 6 Uhr“. In dieser Zeit müssen die Einrichtungen ihren Betrieb einstellen.
Allerdings kann die Sperrstunde von der Gemeinde „bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse“ (§ 9) aufgehoben werden.
Leipzig warb und wirbt an verschiedenen Stellen damit, dass die Sperrstunde in Leipzig nicht angewendet wird (zB. in der Imagebroschüre „Leipzig lohnt sich“, Seite 10). Der in zahlreichen Publikationen verwendete Satz „Und das Beste: Das junge Leipziger Nachtleben kennt keine Sperrstunde.“ fand sich bis vor kurzem auch auf der Tourismus- und Gastgewerbe-Seite der Stadt Leipzig, wurde aber ganz offensichtlich vor dem Hintergrund der Debatte um das IfZ getilgt. Sogar auf Wikipedia ist nachzulesen: „In vielen anderen Städten wie z. B. Leipzig, Berlin und Hamburg gibt es keine generelle Sperr- oder Putzstunde.“
Die Stadt Leipzig gibt sich mit der punktuellen Verhängung der Sperrstunde gegen einen einzelnen Club nicht nur eine bürokratische Blöße, sondern macht sich mit der Infragestellung wirtschaftsfreundlicher Aussagen wegen eines inzwischen medial beachteten Einzelfalls auch noch lächerlich.
Anlass für den allen proklamierten Prinzipien widersprechenden ordnungspolitischen Akt sollen Lärmbeschwerden aus der Nachbarschaft sein. Allerdings gibt es in dem am Areal des Bayerischen Bahnhofs in der Leipziger Südvorstadt angesiedelten IfZ bis dato keine direkt angrenzende BewohnerInnenschaft. Erste Untersuchungen des Ordnungsamtes ergaben zudem keine ernsthaften Beschwerden. Der Club selbst verweist auf einen einzigen Dauer-Beschwerdeführer, der in relativ weiter Entfernung wohnt. Der Club selbst befasst sich kontinuierlich mit Lärmschutzfragen und geht empathisch mit AnwohnerInnenbeschwerden um. Scheinbar wurde seitens der städtischen Behörden auf sanftere Maßnahme wie Kommunikation und Deeskalaton verzichtet. Der Sinn einer Reaktivierung der Sperrstunde als Erziehungsinstrument bleibt in unseren Zeiten allerdings verborgen. Diese restriktive Maßnahme diente früher der Durchsetzung von Sittlichkeit und Ruhevorstellungen oder aber der Unterbindung ausgiebigen Alkoholkonsums. Eigentlich hätte die Sperrstunde längst aus Gesetzen getilgt worden sein müssen.
Auf die zudem bestehende Absurdität weist das IfZ in einem Statement selbst hin: „Auch bleibt uns die Sinnhaftigkeit der Sperrstunde verschlossen, wenn aufgrund von Lärmbeschwerden mitten in der Nacht 300 feiernde Gäste für eine Stunde auf die Straße gesetzt werden sollen.“
Die Stadt Leipzig bzw. verantwortliche Ämter stecken in der das Licht der Öffentlichkeit erblickenden Debatte derweil den Kopf in den Sand. Wirtschaftsförderungsinteressen müssen scheinbar hinter bürokratischen Erwägungen zurückstecken. Das widerspricht eigentlich der Logik der Standortpolitik, die auf ihren Tourismusseiten sogar mit dem ansonsten gern als aussätzig behandelten Stadtteil Connewitz wirbt.
Mir soll es an der Stelle nicht um die Logik von Wirtschaft, Standort und den Ruf von Leipzig gehen. Vielmehr muss es um das Infragestellen einer Bürokratie gehen, die sich ganz bewusst an den Interessen einer zeitgemäßen Feierkultur vergreift, die sich zudem noch als explizit emanzipatorische begreift. Das IfZ versucht das, an das andere Clubs nie gedacht haben bzw.woran andere Clubs gescheitert sind: Geschlechtergerechtigkeit, politische Bildung, weitestgehende Diskriminierungsfreiheit und einen aufgeklärten proaktiven Umgang mit Drogenkonsum.
Das IfZ ist ein wichtiger Freiraum, der durch das altertümlich-spiessige Instrument der Sperrstunde bedroht ist.
Insofern bleibt: Die Sperrstunde muss weg, nicht weil sie unternehmerischen Interessen entgegenläuft, sondern weil sie laute Freiräume und die Freiheit von Menschen unverhältnismässig beschneidet.
>> Meine Anfrage an den Oberbürgermeister
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